Intranasale Applikation – Nachtrag

 

Einen Nachtrag habe ich noch zu meinem Beitrag zur intranasalen Applikation von Midazolam per MAD. In der Zwischenzeit habe ich mich genauer mit dem Thema beschäftigt. Ich möchte noch einmal genauer auf die rechtlichen Grundlagen und Fallstricke eingehen.

Auf der Website des Bundesverbands Medizintechnologie e.V. gibt es einen Leitfaden zum „Off Label Use“ von Medizinprodukten, den ich mir aus gegebenem Anlass bestellt habe.

Medizinprodukte haben eine „Zweckbestimmung“

Bei Medizinprodukten gibt es eigentlich keinen „Off Label Use“ im rechtlichen Sinne. Alternativ wird von einer „Zweckbestimmung“ im Rahmen des Zulassungsverfahrens gesprochen. Wenn sich Anwender nicht an diese Zweckbestimmung halten, stellen sich durchaus auch haftungsrechtliche Fragen für den Hersteller.

  • Missbrauch (nach: Leitfaden MEDDEV 2.12-1 rev. 8, Ziff. 4.1) bezeichnet die vorsätzliche, von der Zweckbestimmung abweichende, Handhabe des Produkts.
  • Anwendungsfehler sind Fehler, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstehen (z.B. Funktionsweise, Aufbau, Ergonomie, Instruktionen).
  • Anwenderfehler sind Fehler, die durch den Anwender selbst entstehen, in aller Regel sind dies auch Behandlungsfehler des -meist zuletzt verantwortlichen- Arztes.

Betrachten wir die Zweckbestimmung des MAD einmal: „Für den Gebrauch mit für intranasale Verabreichung zugelassenen Medikamenten“.

MAD; Heike C. Ewert

Das bedeutet: Bei Verwendung von nicht für die intranasale Verabreichung zugelassenen Medikamenten liegt zum einen ein bewusster Missbrauch des MAD im Sinne der MEDDEV vor (s.o.) Außerdem wäre die Verwendung eines nicht dafür zugelassenen Medikaments auf nasalem Wege ein Off Label Use (wenn es die Voraussetzungen für Wirksamkeit und Good Clinical Practice erfüllt).

Ein nicht dafür zugelassenes Medikament auf einer nicht dafür zugelassenen Applikationsroute anzuwenden klingt schon reichlich „wild“.

Zugelassene Medikamente für intranasal sind selten

Stellt sich doch die Frage, welche Medikamente überhaupt für die intranasale Applikation zugelassen sind. Ich meine jetzt Medikamente abseits von Nasensalben und klassischen Nasensprays. Vor allem für Notfallmedikamente ist der nasale Zugang sehr interessant.

Applikationswege von Notfallmedikamenten laut Fachinformationen:

  • Midazolam: i.v., i.m., rektal
  • Ketamin: i.v., i.m.
  • Fentanyl: i.v., i.m.
  • Morphin: i.v., i.m., s.c., epidural, intrathekal
  • Sufentanil: i.v.
  • Sufentanil epidural: epidural (als Zusatz zu Bupivacain)

Schade, dass keines dabei ist, das für intranasal zugelassen ist. Spannendes anderes Fakt: Morphin ist für die epidurale bzw. intrathekale Gabe zugelassen, für das es nach aktuellem Wissensstand völlig ungeeignet ist (späte Atemdepressionen sind beschrieben!!). Sufentanil ist nur als „Sufenta epidural“ für die epidurale, aber nicht die intrathekale Gabe zugelassen. Ein komplexes Thema.

Im Übrigen bewirbt Teleflex auf ihrer Seite die „rasche Absorption im Blutkreislauf Ihres Patienten über die Schleimhautmembran“. Dieser Passus erlaubt offensichtlich die systemische Wirksamkeit von Medikamenten, wenn sie nasal gegeben werden (im Gegensatz zu der Aussage aus dem Artikel im „Notarzt“, der die Diskussion ins Rollen gebracht hat). Dummerweise konnte ich keine intranasal zugelassenen Notfallmedikamente finden.

Das würde bedeuten: Da, wo der MAD sein Haupt-Einsatzgebiet hat, darf man ihn nach Zulassungslage eigentlich nicht verwenden.

Als Arzt ist man immer dazu verpflichtet – auch in Notfallsituationen – seinen Patienten die schonendsten und nebenwirkungsärmsten Verfahren zu empfehlen.

Aber welche Varianten gibt es denn im Notfall z.B. beim krampfenden Kind? Intravenös kann schwierig anzulegen sein. Rektal ebenso. Intranasal geht nach aktueller Datenlage aber schneller und ebenso sicher. Man könnte also argumentieren, dass man auch potentielle Schäden damit abwenden könnte.

Insofern ist eine nasale Applikation von Midazolam zwar nicht erlaubt nach Zulassung, aber nach Evidenzlage und GCP-Grundsätzen im Rahmen der Therapiefreiheit des Arztes trotzdem erwägenswert. Denn warum sollte man ein gut funktionierendes, sehr risikoarmes Verfahren dem Patienten vorenthalten? Dann würde man sich genauso strafbar machen.

Die zweckbestimmungsfremde Anwendung eines MAD für den Off Label Use spielt da natürlich auch noch hinein. Aber durch die Verwendung von „nicht für intranasal zugelassene Medikamente“ konnte bisher – nach meinem Wissensstand – kein Schaden durch die reine Verwendung des MAD-Zugangs gezeigt werden.

Es ist auch etwas witzig, wenn der Hersteller von einem guten und sicheren Zugangsweg redet, es aber gleichzeitig keine sinnvollen, dafür zugelassenen Medikamente gibt. Auf der Seite findet sich dann auch kein einziges Medikamentenbeispiel, was man damit verwenden könnte. Verdächtig 😉

Die verworrene rechtliche Lage entbindet uns als Ärzte aber nicht davon, unseren Patienten sichere und wirksame Therapien angedeihen zu lassen. Insofern finde ich es gut und richtig, dass die BAND sich in ihrer Stellungnahme ausführlich für den MAD ausgesprochen hat; auch wenn die letztliche Verantwortung immer der behandelnde Arzt trägt.

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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