Cheyne-Stokes Atmung bei Herzinsuffizienz

 

Für Kollegen, die auf einer kardiologischen Intensivstation arbeiten, wird dieser Beitrag vermutlich nicht so viel neues bieten (ich hoffe natürlich trotzdem drauf). Alle anderen könnten überrascht werden, so wie es mir auch passiert ist.

Wir hatten einen relativ jungen Patienten mit einer relativ schlechten Ejektionsfraktion in der Nacht aufgenommen. Wir reden hier < 20% Auswurfleistung. Soweit war er auf niedrigem Niveau stabil, wenn nicht—

regelmäßig die Atemfrequenzmessung des Monitors alarmiert hätte: Apnoe. „So ein Quatsch“, der redete doch mit uns. Aber wenn er die Augen schloss, veränderte sich das Atemmuster, sodass er tatsächlich kurze Atempausen hatte. Außer dem Herzen waren keine weiteren Vorerkrankungen bekannt. Merkwürdig.

Außerdem gab es bei diesem schlafenden Patienten keine Wackel-Artefakte der Respirationskurve. Ich muss ja gestehen, dass ich normalerweise überhaupt nichts auf diese Messung gebe, außer dass am Ende eine Zahl bei rumkommt.

In diesem Fall aber – unter Ausschluss von Verwacklungen – zeigte die Kurve ganz deutlich periodische Veränderungen wie aus dem Lehrbuch: Tachypnoe und tiefe Atemzüge, die sich langsam in eine Bradypnoe und flache Atemzüge änderten bis zur Apnoe und dann wieder „zulegte“. Eine klassische „gemalte“ Cheyne-Stokes-Atmung.

In dem Moment, wie ich das aussprach, fand ich das schon wieder komisch. Hieß es nicht, dass so ein Atemmuster vor allem bei Hirnstammschädigungen und „Neuropatienten“ anzutreffen sei? Das war hier nun wirklich nicht der Fall. Und dann begann ich zu lesen… 🙂

Einordnung und Ursachen

Die Cheyne-Stokes-Atmung gehört zu den pathologischen Atemmustern, und dort zu den schweren Schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS), und kann mit einer (zentralen) Schlafapnoe vergesellschaftet sein.

Übliche Ursachen sind:

  • zerebrale Ischämie (der „Klassiker“, so lernt man es im Studium)
  • Intoxikationen (z.B. mit CO, Urämie, Opioide)
  • Höhe > 3000m (s.a. den Beitrag zur Höhenkrankheit) – Therapie: Abstieg!
  • aber auch schwere Herzinsuffizienz

und bei den letztgenannten Patienten liegt sogar eine Prävalenz von etwa 30-40%[1] vor. Passt also.

Pathophysiologisch liegt eine nicht-lineare Reaktion auf CO2 als Atemtrigger vor: Bei hohen CO2-Partialdrücken wird tief und schnell geatmet (20-30s), bei niedrigem viel zu wenig und zu flach (10-40s). Man könnte auch von „Schwingen“ sprechen, bzw. dass der Atemtrigger gleichermaßen über- und unterkompensiert. Es ist häufig bei Männern und in Rückenlage auffalender[3].

Das ist nicht normal. Normalerweise zieht das Atemzentrum über lange Strecken des pCO2 linear mit, bevor es bei exorbitant hohen Werten irgendwann abflacht (Stichwort: CO2-Narkose).

Is it harmful?

Jetzt stellt sich die Frage: Ist das schlimm? Ist das eine negative Auswirkung der Herzinsuffizenz? Oder muss man es eher als kompensatorischen Vorgang sehen? Tatsächlich sind sich die Gelehrten da nicht so einig, und so kommen Artikel bei rum wie „Cheyne-Stokes-Respiration: friend or foe?“[2].

Negative Effekte können sein:

  • transiente Hypoxien
  • Arousals (Aufwachreaktionen wie bei der Schlafapnoe)
  • autonome Dysregulation im Sinne von Stress (schlecht fürs kranke Herz)

Positive Effekte sind aber auch denkbar, die vor allem durch die transiente Hyperventilation entstehen:

  • erhöhtes end-exspiratorisches Lungenvolumen
  • intrinsischer positiver Atemwegsdruck ähnlich eines PEEP, dadurch
  • Reduzierung des kardialen Pre- und Afterload
  • Vermeidung einer hyperkapnischen Azidose
  • periodische Pausen für schnell-ermüdende Muskeln der Atempumpe bei dem entsprechend Herzinsuffizenz-vorerkrankten Patienten
  • Bronchodilatation
  • erhöhtes kardiales Schlagvolumen

Die Therapie sollte es sein die Ursache zu beheben (z.B. interventionell – kardiochirurgisch…), wenn möglich. Dann verschwindet häufig auch das pathologische Atemmuster[4].

Die Cheyne-Stokes-Atmung als Folge der Herzinsuffizienz kann natürlich auch direkt als Ziel therapiert werden. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass das Atemmuster an sich schädlich und nicht kompensatorisch wäre:

In Einzelfällen führt die Gabe von niedrig-dosiertem Sauerstoff (2-4L/min) zu einer Linearisierung der CO2-Antwort. CPAP ist ebenso möglich, und reduziert außerdem den kardialen Pre- und Afterload, sprich: entlastet das kranke Herz noch zusätzlich (für eine rein symptomatische Therapie gar nicht schlecht). Jedoch ist nicht evident, ob so eine symptomatische Therapie gut ist für den Patienten, oder sogar sein Outcome verschlechtert.

Zusammenfassung

Im zitierten Paper von Naughton[2] wird insgesamt aber eher von der Cheyne-Stokes-Atmung als einem kompensatorischen Mechanismus ausgegangen, der die Effekte von PEEP bzw. CPAP intermittierend imitiert. Er schlussfolgert sogar, dass Versuche die Atmung zu „periodisieren“ mittels Stimulantien wie  z.B. Theophyllin oder Azetazolamid eher zu einer muskulären Erschöpfung und Verschlechterung (ggf. sogar Dekompensation) führen.

Tatsächlich gibt es zu dem Thema offensichtlich wenig Publikationen. Man könnte sagen: Es sind weitere Studien nötig. Was sagt ihr dazu?

Und: wer noch weiter in ein Rabbit-Hole fallen möchte, dem empfehle ich die Artikel auf der Wikipedia zu John Cheyne und William Stokes 🙂

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

1 Kommentar

  1. Sehr interessant und vor allem klasse gelesen.

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