Laktat in der Intensivmedizin

 

Zunächst ist Laktat ein Abbauprodukt der anaeroben Glykolyse. Beim schwerkranken Intensivpatienten ist es überdies Prädiktor für eine erhöhte Mortalität, wenn es die „magische“ Schwelle von 2mmol/L übersteigt (CAVE: unterschiedliche Einheiten in verschiedenen Laboren).

„Milchsäure“; Heike C. Ewert

Der Metabolismus und die Situationen, in denen es anfällt, sind aber deutlich komplexer, als man es im klinischen Alltag wahrnimmt. Im Folgenden möchte ich euch einen Einblick in die – auf den zweiten Blick komplexer als gedachte – Materie gewähren.

Hauptsächlich wird es aus Glukose und Alanin gewonnen. Die Laktatdehydrogenase LDH, katalysiert die Reaktion zu Pyruvat (unter Verwendung von NADH/H+). Von dort aus kann es in den Citratzyklus eingeschleust werden und für die Generierung von ATP verwendet werden. Die Leber ist neben der Niere ein zentrales Organ, das für die Homöostase und auch Clearance von Laktat verantwortlich ist.

Laktat entsteht auch physiologisch

Erhöhte Laktatspiegel können in einer Vielzahl von Situationen entstehen, und nicht alle sind pathologischer (intensivmedizinischer) Natur. Auch bei starker körperlicher Aktivität sind die Laktatspiegel erhöht.
Es ist davon auszugehen, dass Laktat immer dann ansteigt, wenn der Körper erhöhte Mengen Energie benötigt. Als alternatives Energiesubstrat für das Gehirn (neben Glukose) bei traumatischem Hirnschaden kann es verwendet werden.

Die Auffassung, dass es ein reines „Abfallprodukt“ ist, ist mittlerweile mehrfach widerlegt.
Eine echte Laktatazidose entsteht übrigens erst bei sehr hohen Laktat-Werten, wohingegen die prognostische Aussage des Laktatspiegels schon viel früher einsetzt.

Cohen & Woods Klassifikation der Laktatazidose
A(Anwesenheit von Gewebehypoxie) Hypoperfusion, Schock, Hypotension, Herzstillstand
B(Abwesenheit von Gewebehypoxie)
B1(in Verbindung mit Grunderkrankung) Sepsis, Leberversagen, Thiaminmangel, Phäochromozytom
B2(Medikament, Toxin) Adrenalin, Salbutamol, Propofol, (M)Ethanol, Paracetamol
B3(hereditär) Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase Mangel, Pyruvatcarboxylase Mangel

Laktat entsteht in der Sepsis multifaktoriell

Lakatazidose in der Sepsis ist a.e. multifaktoriell bedingt. Die niedrige DO2 infolge der Hypoperfusion und des Schocks ist sicher der wichtigste Faktor. Außerdem ist im häufig ebenfalls vorherrschenden ARDS die Lunge einer der Hauptproduzenten für Laktat. Die Clearance ist ebenfalls erniedrigt durch die verminderte Perfusion von Leber und Niere.

Gewöhnlich wird die Hyperlaktatämie der Gewebehypoxie in Verbindung gebracht. Es scheint aber vielmehr mit dem hypermetabolischen Zustand und der zellulären inflammatorischen Antwort zusammenzuhängen.
Die Mortalität steigt mit ansteigenden Laktatspiegeln; in der Sepsis gilt ein Wert von > 2mmol/L als prognostisch ungünstig.

D-Laktat als Marker für Mesenterialischämie?

In der Mesenterialischämie und Durchwanderungsperitonitis kommt es zu einem deutlichen Anstieg von Laktat. Erhöhte Spiegel zum Zeitpunkt der Diagnosestellung „Mesenterialischämie“ sind ein Prädiktor für Mortalität.

Interessanterweise steigt insbesondere das D-Laktat an. Es ist das Stereoisomer von vom Körper produzierten L-Laktat, und wird ausschließlich von Darmbakterien, und nicht vom Menschen produziert.
CAVE: D-Laktat ist eine Spezialanforderung im Labor und wird nicht routinemäßig bestimmt.
Bis die D-Laktat-Bestimmung als Screening-Instrument auf Mesenterialischämie etabliert ist, ist jedoch noch viel weitere Studienarbeit erforderlich und aktuell in der klinischen Routine schwer umsetzbar.
Auch bei weiteren Patientengruppen ist ein erhöhter Laktatspiegel prognostisch ungünstig: Patienten im Herzversagen, nach Bypass-OP und Herzstillstand.

Metformin als Auslöser für Laktatazidose?

Metformin-assoziierte Laktatazidose (MALA) entsteht vor allem, wenn die Kontraindikationen nicht beachtet werden, oder sich ein Nierenversagen entwickelt und es konsekutiv akkumuliert. Risikofaktoren:

  • Alter > 60 Jahre
  • verminderte Herz-, Leber-, Nierenfunktion

Eine Cochrane Analyse von 2010 fand keine überzeugende Evidenz, dass Metformin eine Laktatazidose auslöst. Dennoch wird es in der Literatur stetig wiederkehrend berichtet.

Als Mechanismen werden eine Hemmung des oxidativen Metabolismus und eine Erhöhung der NADH-Konzentration angenommen. Dadurch soll es zu einer Reduktion von Glukoneogenese und Hemmung der Glukose-Absorption im Darm kommen.

Es werden weitere Studien nötig sein, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen.

Links:

• (*)Oh’s Intensive Care Manual (Quelle)
Cochrane-Analyse MALA 2010
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Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

3 Kommentare

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  1. Malnwieder schön in Kürze das Wissen aufgefrischt und was Neues gelernt.

  2. Muss mich schon wieder bedanken für diesen Artikel, der die gesamte Würze in der Kürze bringt, insbesondere die Cochrane-Analyse der Metformin-Laktatazidose (vor der sich immer alle fürchten) war sehr interessant.

    • Gudrun Günther auf 13. April 2023 bei 14:23
    • Antworten

    Klasses Lernportal, alle Themen kurz und gut präsentiert. Chapeau.
    Ich werde Sie weiterempfehlen.

  1. […] kann durch die Wiederernährung demaskiert werden und eine Wernicke-Enzephalopathie oder eine Laktatazidose (Typ B1) […]

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