Covid-19 Medikamente: Ausblick auf Molnupiravir und Paxlovid

 

Um abseits der üblichen allgemeinen Anästhesie-Themen etwas mehr Aktualität zu bringen, werde ich in diesem Artikel die aktuell verfügbaren Informationen zu den kommenden oralen Therapeutika für Covid-19 zusammenfassen: Molnupiravir von MSD (bzw. Merck) und Paxlovid von Pfizer.

Beide Medikamente werden uns wohl demnächst in der klinischen Praxis begegnen, sodass eine frühe Auseinandersetzung damit gerechtfertigt erscheint. Die zugrunde liegenden Studien sind in beiden Fällen allerdings noch nicht abgeschlossen, sodass nur die Informationen zur Verfügung stehen, die die Hersteller uns mitteilen möchten. Wie das sich dann nachher in der Praxis mit deren (Neben)wirkungsprofil verhält, werden wir erst noch herausfinden.

Thor’s Geheimwaffe: Molnupiravir

Beginnen möchte ich mit Molnupiravir. Womit haben wir es hier eigentlich zu tun?

(Dass die mit den Kunstnamen in der Pharmakologie ein bisschen verrückt sind wussten wir ja schon lange. Aber dass Molnupiravir von Mjölnir, Thor’s Hammer aus der nordischen Mythologie, inspiriert ist, um das Virus „niederzustrecken“ — ernsthaft?? [2a])

Molnupiravir (MK-4482/EIDD-2801) ist ein oral zugeführtes Ribonucleosid-Analogon, das die Replikation von SARS-CoV-2 hemmt. Ursprünglich wurde es zur Behandlung von Influenza entwickelt. Es ist also umgewidmet, ähnlich wie dereinst Remdesivir.

Thor ist Biochemiker

Na und: wie funktioniert das jetzt? Es handelt sich um einen sogenannten Antimetaboliten: Molnupiravir wird in die RNA-Kette des Virus eingebaut, weil es so ähnlich aussieht wie Cytidin; sein Basenanteil ist aber verändert und nicht völlig so wie es sein sollte ;P

Die ablesende RNA-Polymerase weiß dann nicht so recht, was sie damit anfangen soll. Manchmal interpretiert sie das Molnupiravir als C und manchmal als U (=Uracil), und das an jeder Stelle, wo das Mittelchen eingebaut ist. Deshalb entstehen mannigfaltige verrückte Mutationen; und tatsächlich so viele, dass das Virus nicht überleben kann: Virale Fehlerkatastrophe (viral error catastrophe) oder letale Mutagenese.

MOVe-OUT Studie – Ein Hoch auf tolle Studiennamen!

Obwohl bereits seit 2018 verfügbar, wurde es erst in der MOVe-OUT Studie auf Wirksamkeit gegen das SARS-CoV-2 Virus hin untersucht[1]. Dabei handelt es sich um eine globale Phase 3 Studie, die randomisiert, Placebo-kontrolliert, doppelt-verblindet an 170 Zentren weltweit durchgeführt wurde. Die Stichprobe aus 1550 Teilnehmern rekrutierte sich aus Patienten im ambulanten Umfeld mit nachgewiesener COVID-19 Infektion, die einen milden oder moderaten Verlauf hatten und mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf aufwiesen. Die Rekrutierung erfolgte maximal 5 Tage nach Beginn der Symptome.

Die Risikofaktoren wurden folgendermaßen definiert:

  • Übergewicht
  • Diabetes mellitus
  • Alter >= 60 Jahre
  • „Herzkrankheit“

Die Studie enthielt 6 Studienarme mit Placebo und verschiedenen Dosierungen, womit nur noch etwa 300 Patienten pro Arm zur Verfügung standen.

In einer Interim-Analyse waren die Ergebnisse dann zumindest sehr vielversprechend. Zu diesem Zeitpunkt waren 775 Patienten analysiert, die das Mittelchen vor dem 05. August 2021 erhalten hatten.

Ergebnisse der MOVe-OUT Intermis-Analyse

Das Risiko für Hospitalisierung und / oder Tod war in allen Subgruppen um ca. 50% reduziert, und auch nicht abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginns versus ursprünglichem Symptombeginn (anders als bei Paxlovid). Es schien auch gegen alle Virusmutanten gleichsam zu wirken, allerdings lagen diese Daten bei nur 40% der Patienten vor. Die Nebenwirkungen glichen denen der Placebo-Gruppe. Welche das waren, wird aber leider nicht weiter ausgeführt.

7,3% der Patienten wurden hospitalisiert oder starben bis Tag 29 nach Randomisierung: 28/385, verglichen zur Placebo-Gruppe mit 53/377, p=0,0012. Bis Tag 29 gab es keine Todesfälle in der Molnupiravir-Gruppe, verglichen zu 8 Toten in der Placebo-Gruppe.

Aus diesem Grund wurde trotz weiter laufender Studie die Notfallzulassung beantragt. Großbritannien hat sie bereits im November erteilt.Die EMA der Europäischen Union hat im Oktober ein Rolling-Review-Verfahren begonnen. Das heißt, dass die EMA nicht erst wartet, bis alle zugrunde liegenden Studien abgeschlossen sind, sondern sichtet die Ergebnisse schon, sobald sie verfügbar werden.

Kontrahent: Paxlovid von Pfizer

Paxlovid von Pfizer[3] ist der zweite aussichtsreiche Kandidat auf ein oral zuführbares COVID-Therapeutikum. Es enthält eine Kombination von PF-07321332 und Ritonavir, wobei der erstere der eigentliche Wirkstoff und das Ritonavir nur ein Adjunkt zur Wirkverstärkung ist.

PF-07321332  ist ein 3CL-Protease-Inhibitor und bindet direkt kovalent an das katalytische Zentrum der Cystein-Protease von SARS-CoV-2 (Cys145). Ritonavir wiederum soll die Metabolisierung des eigentlichen Wirkstoffs mit dem unaussprechlichen Namen verzögern, und somit die Plasmakonzentrationen höher halten. Wir erinnern uns: Ritonavir ist ein CYP-Inhibitor.

Wenn es spätestens 3 Tage nach Symptombeginn gegeben wird, soll es die Rate an Hospitalisierungen um bis zu 89% senken. Das klingt doch sehr nach einem Golden Bullet. Pfizer hat doch schon die Lizenz zum Gelddrucken mit Biontech – und jetzt das auch noch 😉 Aber gut: Wenn es funktioniert, dann sollen sie halt ihr Geld bekommen, finde ich.

Wirkmechanismus von Paxlovid: Uncovered

Aber was macht diese Cystein-Protease bei den Coronaviren? In der Herstellung viraler Proteine werden Vorläufer-Proteine hergestellt und dann in aktive Einzelteile gespalten: Und wenn diese Proteasen das nicht tun, kann kein fertiges Virus entstehen. Anders als Molnupiravir wirkt es also nicht auf Translationsebene, sondern im posttranslationalen Modifikationsschritt, der sogenannten Proteolyse.

Die aktuell zugrunde liegende Studie heißt EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for COVID-19 in High-Risk Patients) mit n=1219 Patienten und ist ebenfalls randomisiert, doppelblind, multicenter und untersucht nicht-hospitalisierte erwachsene Patienten mit COVID-19 mit mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Welche das sind, wird uns aktuell leider nicht mitgeteilt, aber das wird sicher noch nachgeholt werden. Und den Zulassungsbehörden werden die Informationen sicherlich vorliegen.

0,8% der Patienten in der Verum-Gruppe wurden bis Tag 28 nach Randomisierung hospitalisiert (3/389, keine Todesfälle); verglichen zu 7,0% der Patienten in der Placebo-Gruppe (27/385, mit 7 Todesfällen). Die Siginifikanz lag bei p<0,0001. Tatsächlich wurden keine! Todesfälle in den Verum-Gruppen der gesamten Studienpopulation beobachtet, im Vergleich zu 10 mit Placebo-Behandlung. Beeindruckend.

Die Notfallzulassung in den USA wurde am 16. November beantragt. Die EMA prüft offensichtlich ebenfalls bereits. Hier funktionieren die Mechanismen, anders als in unserer überbürokratisierten Politik und ihren  aktuell schwer nachvollziehbaren Entscheidungsprozessen.

Ausblick

Ambulant einzunehmende Medikamente (=“Pillen“) gegen COVID-19 sind dringend nötig, um die Krankenhäuser zu entlasten. Mit Molnupiravir und Paxlovid stehen vermutlich demnächst zwei heiße Kandidaten zur Verfügung. Auch wenn die Zulassungsstudien noch mit sehr überschaubaren Stichproben aufwarten, scheinen die Mittel dennoch vielversprechend. Wie man so schön in der Wissenschaft sagt: Weitere Untersuchungen sind dringend nötig, um Wirksamkeit und Sicherheit besser beurteilen zu können. Allerdings darf man doch aufgrund solch positiver Meldungen optimistisch bleiben.

Lasst uns überraschen, wie sich die Hersteller das bezahlen lassen 🙂 Immerhin werden für ärmere Länder Sublizenzen für Generika-Hersteller von beiden Akteuren vergeben, um auch dort die Pandemie vielleicht mit diesen neuen Tools in den Griff zu bekommen. Es bleibt spannend.

Aber vor allem: Lasst euch nicht kaputt machen in den Kliniken! Behaltet die gute Laune, haltet zusammen, auch wenn die Umstände widrig sind. Es muss auch wieder besser werden!

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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