Kühlung in der Postreanimationsphase

 

In der Postreanimationsphase sei zu kühlen, um das neurologische Outcome zu verbessern. Das war die Aussage noch in den Guidelines 2010. Es hatte tierexperimentelle Studien gegeben, die genau das belegen wollten (z.B. in dem Review hier: Gunn AJ, Thoresen M (2006) Hypothermic neuroprotection. NeuroRx 3:154–169).

In der Folge wurden fast alle Patienten nach Erreichen eines ROSC für 24 Stunden gekühlt. Das waren eben auch die Empfehlungen.

Und es ist auch logisch. In der Neurointensivmedizin wird Hypothermie eingesetzt, um den Schaden nach Schädel-Hirn-Trauma klein zu halten. Durch die Temperaturabsenkung wird der zerebrale Blutfluss CBF und die metabolische Rate (also der O2- und Nährstoffbedarf) reduziert. Für den Sauerstoffbedarf wird von 6% CMRO2-Reduktion pro 1°C gesprochen.

Dasselbe Prinzip macht man sich übrigens auch bei prolongierten Herz-OPs zunutze.

Außerdem erinnere man sich an den alten Leitsatz zum Thema Abbruch von Reanimationsbemühungen: „Noone’s dead until warm and dead“. Da steckt dasselbe Prinzip dahinter.

Unübersichtliche Studiensituation

In der Zwischenzeit sind viele weitere Studien erschienen, die absolute Aussagen zum Temperaturmanagement im Postreanimations-Syndrom zumindest unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Lage ist offensichtlich sehr heterogen. In manchen Studien zeigten sich im Hinblick auf Gesamtmortalität und neurologisches Outcome deutliche Unterschiede, in manchen hingegen gar nicht. Außerdem herrscht Dissens über die zu erreichende Zieltemperatur (36°C? 33°C? 28°C?).

Die Leitlinie spricht indes nur noch von „milder induzierter Hypothermie“ und fordert einen Temperaturbereich zwischen 33 und 36°C. Außerhalb des Bereichs nehmen die Komplikationen zu und sollten deshalb vermieden werden.

Hyperpyrexie vermeiden

Zusammenfassend kann man sagen, dass die optimale Kühlungstemperatur nicht klar ist.

Was aber eindeutig klar ist: Fieber (Hyperpyrexie) ist zu vermeiden. In der Definition nach ERC sind das bereits Temperaturen über 36,0°C (also nicht die übliche Fieber-Definition).

„Hypothermie“; Heike C. Ewert

Patienten mit ROSC haben meist ein zentral ausgelöstes Fieber im Rahmen ihres Postreanimationssyndroms. Das ist ein komplexes Syndrom, das aus Reperfusionsschaden (mit reaktiven Sauerstoffspezies), mitochondrialer Dysfunktion (Atmungskette!) und entzündungsartigen Reaktionen besteht. Auf normale Antipyretika spricht dieses Fieber in der Regel nicht an, deshalb wurden spezielle Systeme zur Patientenkühlung entwickelt.

Temperaturmanagement nach ROSC

Das ganze nennt sich auf schlau: Targeted Temperature Management TTM oder „zielgerichtetes Temperaturmanagement“.

Im RTW bereits anzufangen zu kühlen, war übrigens nicht mit einer Verbesserung des Outcome vergesellschaftet, und sollte deshalb nicht durchgeführt werden. Im Gegenteil: Prähospitale Kühlung ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Kreislaufstillstand und eventuell auch ein Lungenödem vergesellschaftet (Quellen und Literaturangaben s. CPR Guidelines, Kap. 5: Postreanimationsbehandlung).

Im Krankenhaus kommen die Patienten nach ROSC meistens bereits ausgekühlt an. Das bedingt nun mal die Entkleidung und Infusion und das ganze Vorgehen. Bei Erreichen von 36°C kann aber angefangen werden zu kühlen, um die Zieltemperatur zu halten und ein weiteres Ansteigen zu vermeiden.

Dabei teilt sich das Management in drei Phasen auf, die natürlich immer unter kontinuierlicher Monitor-Überwachung durchgeführt werden sollten:

  • Induktion der Hypothermie
  • Aufrechterhaltung
  • Wiedererwärmung.

Induktion der Hypothermie

Die Induktion sollte sobald wie möglich auf der Intensivstation begonnen, und für etwa 24 Stunden aufrecht erhalten werden. Dazu eignen sich insbesondere kalte Infusionen (z.B. 30ml/kg Körpergewicht bei 4°C über 30 Minuten (Bernard et al., 2003)). Für eine Aufrechterhaltung ist das natürlich nicht geeignet – sonst kommt es zu einer massiven Volumenüberlastung. Aber wie gesagt, zur schnellen Induktion auf Zieltemperatur gut geeignet.

Weiterhin kann man physikalisch extern kühlen über Eispacks in Axillen und Leisten. Außerdem gibt es extra hergestellte Kühlpacks, die auf den Patienten gelegt oder geklebt werden.

Über die nasale Applikation von kalter Luft kann ebenfalls eine rasche Abkühlung erreicht werden.

Shivering ist schlecht

Bei alldem muss aber beachtet werden: Kältezittern ist eine physiologische Reaktion auf Hypothermie. Der Körper versucht natürlich eine Wärmehomöostase beizubehalten.

Durch das Muskelzittern werden demnach die Kältebemühungen ad absurdum geführt. Es verhält sich wie beim postoperativen Shivering: Die unwillkürlichen Muskelkontraktionen führen zu Wärmeentwicklung und einem erhöhten Sauerstoffbedarf. Im schlechtesten Fall wird der Patient nicht sinnvoll gekühlt, hat aber einen deutlich erhöhten O2-Bedarf, der zu provozierten Ischämien in bereits geschädigten Bereichen (Herz, Hirn) führen kann.

Muskelzittern ist deshalb unbedingt zu vermeiden!

Meist muss der Patient deshalb nicht nur tief sediert, sondern auch relaxiert werden.

Aufrechterhaltung der Hypothermie

Zur Aufrechterhaltung bieten sich vor allem Decken, in denen kalte Luft zirkuliert an. Extrakorporale Verfahren wie ECMO oder Dialyse können ebenfalls recht genau die Zieltemperatur erhalten.

Die Messung sollte über eine Blasenmesssonde erfolgen, weil hier am zuverlässigsten eine Körperkerntemperatur bestimmt werden kann.

Zu beachten sind auch Komplikationen der Kälte.

Es kann zu einer Kältediurese kommen; die entsprechenden Verluste müssen genau bilanziert und ggf. ausgeglichen werden. Kardiale Nebenwirkungen wie Bradykardien sind ebenfalls möglich. Eine QT-Zeit Verlängerung ist ebenfalls möglich. Aber eine Überwachung am Monitor auf der Intensivstation ist hoffentlich selbstverständlich.

Elektrolytverschiebungen, insbesondere Hypokaliämie und Hypomagnesiämie können ebenfalls komplikativ auftreten infolge intrazellulärer Verschiebungen.

Nicht zu vergessen, beeinflusst Hypothermie auch das Immunsystem und die Blutgerinnung negativ. Die enzymatischen Reaktionen benötigen eine normale Körpertemperatur für eine ordnungsgemäße Funktion.

Wiedererwärmung

Während in der Hypothermie die Gefäße eng gestellt werden, machen sie bei der Wiedererwärmung „auf“ (Vasodilatation). Entsprechend können drastische Blutdruckabfälle die Folge sein. Deshalb sollte langsam erwärmt werden, um auf die hämodynamischen Veränderungen gut reagieren zu können.

Ebenso ist durch den umgekehrten Mechanismus in der Wiedererwärmungsphase eine Hyperkaliämie möglich, auf die reagiert werden muss.

Zusammenfassung

  • Die Zieltemperatur post reanimationem befindet sich im Bereich 33-36°C.
  • Hyperpyrexie ist dringend zu vermeiden und im Zweifel mit externen/internen Kühlmaßnahmen für 12-24 Stunden aufrecht zu erhalten.
  • Eine prähospitale Kühlung ist nicht sinnvoll.
  • Für die Durchführung ist die Infrastruktur einer Intensivstation notwendig. Nur hier können alle relevanten Parameter engmaschig kontrolliert und gesteuert werden.

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Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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