ROTEM / TEG für Anfänger

 

Es wurde im Rahmen des Weihnachtsgewinnspiels gewünscht, deshalb heute das TEG/ROTEM als Einführung. Es ist bei weitem kein Standard-Test, sondern eher an großen Häusern und im Rahmen von Studien zu finden, obwohl die Erfindung schon deutlich älter ist: Die Erstbeschreibung reicht bis 1948 zurück: Hartert, Klin Wochenschr 1948;26:577-583

Außerdem erscheint es immer wieder in den Prüfungen für das ESAIC, deshalb lohnt es sich auf jeden Fall etwas davon zu wissen, auch wenn man vielleicht wenig Berührungspunkte damit hat.

Viskoelastische Verfahren am Point of Care

ROTEM und TEG gehören zu den viskoelastischen Verfahren, die am Patientenbett (POC, Point of Care) durchgeführt werden können. Mit diesen Tests können wir Aussagen zur gegenwärtigen Gerinnungssituation des Patienten treffen. Dafür benötigen wir kein Labor; und tatsächlich ist diese Untersuchung in mancherlei Hinsicht sogar der klassischen Gerinnungsdiagnostik mit globalen Tests wie Quick (man sollte die INR benutzen!) und PTT überlegen. Zunehmend wird es in Protokolle zur Behandlung von Blutungen bei Gerinnungsstörungen implementiert. In den Häusern, in denen ich bisher unterwegs war, war daran aber nicht zu denken (weil: zu teuer).

Thrombelastographie (TEG) ist eine eingetragene Marke von Haemonetics, ROTEM eine Marke von TEM International, obwohl beide Verfahren im Kern auf einem ähnlichen Prinzip beruhen. Als Probe werden etwa 340µl Vollblut verwendet, die in eine Messküvette gebracht werden. Ein zylindrischer Pin wird in die Küvette eingeführt. Zwischen Pin und Küvettenwand ist dann noch ~1mm Platz. Der Pin wird nun in Rotation versetzt, und zwar abwechselnd im- und gegen den Uhrzeigersinn (bei ROTEM 4°75′ alle 6sec). Dadurch wird die Gerinnung aktiviert und es bildet sich ein Clot in der Probe.

Pinbeweglichkeit lässt auf Gerinnung schließen

Je mehr die Gerinnung in der Probe aktiviert ist, desto schwieriger wird es, den Pin noch zu rotieren; die Pinbewegung wird langsamer, bei gleichbleibend investierter Kraft durch den Messapparat.

Die Pin-Beweglichkeit indes ist antiproportional zur Clotstärke. Das heißt: je langsamer er sich bewegt, desto größer/stärker ist der Clot).

Die Rotation wird optisch erfasst und im Gerät noch elektronisch verabeitet, bevor die bekannten Kurven ausgegeben werden. Nun steht einer Interpretation nichts mehr im Wege, juhu 🙂 !

Üblicherweise wird die Clotstärke gegen die Zeit aufgetragen. Wichtige Maße für die Gerinnungsphase sind die Clotting Time CT (Zeit bis es überhaupt losgeht mit der Clotbildung) -alternativ R (Reaktionszeit) und die  Maximale Amplitude MA, TMA (Zeit bis MA, das ist die Gerinnungsphase).

Es schließt sich die Phase der Fibrinolyse an, in der der Clot wieder schlanker wird. Li30 oder Ly30 ist ein Maß für die Lyse. Ly30 im TEG ist prozentuale Reduktion der Fläche unter der Clotstärkenbestimmung vom Zeitpunkt der maximalen Amplitude bis 30min später. Im ROTEM ist der Li30 (Lyse-Index) die prozentuale Clotstärkenreduktion vom Zeitpunkt der maximalen Amplitude bis 30min später. Man sollte halt sein System kennen, was man da vor sich hat. Einweisung in Medizinprodukte, diesdas.

Abkürzung, oder: 30min warten ist ne lange Zeit

Damit man nicht ewig warten muss, bis die Messung abgeschlossen ist (>30 Minuten in der akuten Blutung warten zu müssen ist irgendwie … nicht akzeptabel), kann man sich mit weiteren Messwerten behelfen, um das Clotwachstum vorherzusagen. K (Kinetik) ist die Zeit, bis der Clot 20mm Stärke erreicht hat und zusammen mit dem Winkel alpha, gemessen zwischen CT und K kann man den Rest berechnen (lassen).

TEG und ROTEM Ergebnisse sind wegen gewisser Durchführungsunterschiede im Messverfahren nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Nomenklatur für die Clotbeschreibung unterscheidet sich deshalb auch:

ROTEMTEG
CTR
CFTK
MCFMA

ROTEM ist die Steigerung, weil durch die Gabe von gewissen Gerinnungsaktivatoren und Zusätzen bestimmte Teile der Gerinnung genauer bestimmt werden können. INTEM testet den intrinsischen Pathway, ähnlich wie die aPTT. EXTEM den extrinsischen Pathway ähnlich der INR. Beim FIBTEM werden die Thrombozyten gehemmt, und deshalb kann man auf die Funktionalität des Fibrinogens schließen. Da gibt es viele Spielereien, die ein Transfusionsmediziner machen kann. Für mich als kleinen Anästhesisten reicht das Dargestellte aber schon völlig aus 😉

Nice to know

Ein paar einfache Dinge zu den resultierenden Graphen kann man sich aber merken:

  • Wenn die Clotting Time abnorm verlängert ist, gibt es vermutlich einen Gerinnungsfaktorenmangel
  • Wenn die Clotting Time normal ist, aber die Maximale Amplitude deutlich zu schmal, haben wir a.e. einen Fibrinogenmangel
  • Bei normalem Beginn und dann viel zu schneller Clotreduktion liegt wohl die gefürchtete Hyperfibrinolyse vor! An dieser Stelle wäre dann Tranexamsäure indiziert!

Gerade über die Hyperfibrinolyse wird ja immer viel geschrieben. Aktuell v.a. in den CRASH-Studien (1-3). Vor allem im hämorrhagischen Schock kann nach aktuellem Wissensstand 1g Tranexamsäure das Outcome der Patienten deutlich verbessern. Hingegen scheint es beim isolierten Traumatischen Schädel-Hirn-Trauma nicht gut zu sein. Es lohnt sich deshalb, regelmäßig die Studien dazu zu lesen, weil regelmäßig neue Sachen an dieser Front publiziert werden. Eine gute Quelle für solche Neuigkeiten ist auch immer news-papers.eu

Ende, at last

Fürs Erste soll es reichen. Da kann einem schon mal der Kopf rauchen. Wenn ihr immer noch nicht genug habt, verweise ich an dieser Stelle auf einen tiefergehenden Artikel bei Basics of Anesthesiology.

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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