Tuberkulose und Atemwege

 

Wie schon in meinem Beitrag über die HME-Filter angedroht, soll heute ein Artikel über die Tuberkulose und Konsequenzen für uns „an den Atemwegen Beteiligte“ folgen.

Tatsächlich war ja die Quintessenz dieses Beitrags, dass Patienten, die mit HME-Filter beatmet werden, relativ ungefährlich sind. Der BDA fordert an dieser Stelle eine Abscheiderate von >99%, die von den gängigen Filtern auch erreicht wird.

Nun müssen wir den Atemweg aber auch schon mal „öffnen“. Vor allem zum Intubieren oder generell in Notfallsituationen atmen solche Patienten in der Regel nicht schon durch einen HME-Filter (wie unpraktisch). Meistens noch nicht mal durch eine Maske. Wie steht es da um unseren Schutz? Stichwort: FFP3-Maske.

Vom Allgemeinen zum Speziellen

Wie immer nähern wir uns vom Allgemeinen her und begeben uns dann in die spezielleren Gefilde.

Der Erreger der Tuberkulose ist Mycobacterium tuberculosis. Es handelt sich um einen langsam wachsenden aeroben Keim, der zuerst von Robert Koch 1882 entdeckt wurde. Zum Gedeihen benötigen Mykobakterien hohe Sauerstoffkonzentrationen und hohe Blutflüsse: Unsere Lungen sind deshalb der beste Ort für sie zum Wachsen.

Die Übertragung findet über Einatmung infektiöser Tröpfchen statt (mit aerosolisierte Bakterien). Die infektiösesten Patienten sind  diejenigen mit aktiver (offener) Tuberkulose, die Mykobakterien in Sputum und Speichel abgeben. Es entwickeln nur 15% nach Exposition auch eine Infektion im Verlauf von 2 Jahren.

Die Stadien verteilen sich von einer latenten Tuberkulose (ohne Symptome, mit Eindämmung der Erreger) über die Primär-Tb mit Organmanifestationen (z.B. Lunge) hin zur postprimären Tb a.e. in Folge von Reaktivierung.

In der Primärinfektion erzeugen Mykobakterien nach Aufnahme in den Organismus (Lunge) eine schnelle Immunantwort – bei immunkompetenten Patienten. Vor allem werden sie von zytotoxischen T-Lymphozyten bekämpft und in Form von Tuberkeln (einer Sonderform der Granulome) eingedämmt. Sie können „verkäsen“ und kalzifizieren im Verlauf (s. einschlägige Patho-Lehrbücher). Der Ghon-Komplex ist dabei typisch in der Bildgebung: Vergrößerte hiläre und lobäre Lymphknoten sind dort zu sehen.

Die Erkrankung geht in eine inaktive Phase über, in der die Patienten nicht ansteckend sind. Das kann für Jahre und Jahrzehnte so bleiben.

Immunsupprimierte sind besonders gefährdet

Bei immunkompromittierten Patienten (z.B. durch HIV) und Kindern ist jedoch eine höhere Rate von postprimären Infektionen zu verzeichnen, die sich direkt an die Primärinfektion anschließt. In Folge kommt es zu lymphogener und hämatogener Streuung. Prädestinierte Zielorte sind der Nierenkortex, die Meningen, Epiphysen der langen Röhrenknochen, Wirbel, Choroidea der Augen: die sogenannte Miliar-Tuberkulose.

Nur 1-13% sonst gesunder Patienten entwickelt im Verlauf allerdings nach einer Primärinfektion einen postprimären Verlauf.

Eine latente Infektion kann aber auch wieder reaktivieren. Das passiert vor allem bei HIV-Patienten (7-10% Wahrscheinlichkeit pro Jahr!)[6] und Patienten über 50 Jahren.

Zusammenfassend noch einmal abwehrmindernde Faktoren:

  • Malnutrition, Alter > 50 Jahre
  • Immunsuppressiva
  • HIV
  • Andere immunkompromittierende Krankheiten wie Lymphome, Tumorerkrankungen

Von offener Tuberkulose wird gesprochen, wenn es zur Ausscheidung von Krankheitserregern kommt: die Patienten sind dabei hochgradig infektiös. Eine geschlossene Tuberkulose ist definitionsgemäß nicht infektiös.

Wie diagnostizieren wir?

In der Klinik ist die Tuberkulose erschwert nachweisbar. Patienten in der Primärinfektion haben Allgemeinsymptome wie Husten, Fieber, Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust und / oder Brustschmerz. Über 85% der Patienten stellen sich mit pulmonalen Symptomen vor und die hilären Lymphknoten sind zwar geschwollen, aber nicht massiv und damit schwerlich als pathognomonisch zu bewerten.

Auch bei reaktivierter Tuberkulose ist die Diagnostik eher erschwert. Auch hier dominieren pulmonale Symptome, aber durch die Dissemination können auch andere Organsysteme betroffen sein, wie z.B. das Abdomen mit Bauchschmerzen bei hepatischer Beteiligung. Eine schmerzlose Lymphadenopathie ist allerdings recht häufig und sollte Anlass für genauere Diagnostik geben.

In der Anamnese kann nach Tuberkulose-Fällen im näheren Umfeld gefragt werden und ob immunkompromittierende Faktoren vorliegen (s.o.)

Röntgenologisch sind zwar große Lymphknotenpakete zu sehen, aber gerade im mediastinalen Bereich wird es schwierig. Insofern ist ein CT-Thorax durchaus indiziert.

Bakteriologische Untersuchungen im Sputum müssen wiederholt durchgeführt werden an 2-3 aufeinander folgenden Tagen – besser ist aber die Probengewinnung über bronchoskopisch gewonnenes Sekret. Bei Verdacht auf extrapulmonale Manifestationen natürlich auch andersartige Proben wie Stuhl- oder Urinproben.

  • In der Mikroskopie können die säurefesten Stäbchen zwar nachgewiesen werden über die Ziehl-Neelsen Färbung, allerdings erst ab einer Erregerzahl von 104/ul.
  • Beweisend ist die positive Kultur der Erreger – eine negative schließt sie aber nicht aus. Mykobakterien sind einfach schwer als „Haustierchen“ zu halten 😉.
  • PCR dauert nur 1-2 Tage, kann aber auch bei früher durchgemachter Erkrankung positiv sein… außerdem muss sie mit einer zweiten Probe bestätigt werden

Schwierig.

Hauttest?

Der Tuberkulin-Hauttest nach Mendel-Mantoux ist ebenfalls nur mit Einschränkungen aussagekräftigt. Nach vorheriger BCG-Impfung bringt er jedenfalls nichts (wird aber seit 1998 aufgrund der geringen Tb-Inzidenz in Deutschland nicht mehr empfohlen).

Es wird Standard-Tuberkulin intrakutan injiziert und nach 72h abgelesen. Hierbei geht es nur um die Induration und nicht um die Rötung (wird gern in Prüfungen gefragt)!

Positivitätskriterien nach American Thoracic Society und CDC:

  • > 5mm: + auffälliges Röntgenbild, enger Kontakt mit Menschen mit offener Tuberkulose, Patienten mit HIV
  • >= 10mm: + Patient aus Land mit hoher Tb Prävalenz, i.v.-Drogenabhängige, Diabetes, Hodgkin, terminale Niereninsuffizienz
  • >= 15mm: Patienten ohne Risikofaktoren

Der Interferon-Gamma Test ist mit einer Sensitivität von >80% besser geeignet und auch nicht verfälscht durch eine BCG-Impfung (IGRA: Interferon Gamma Release Assay).

Beide Tests unterscheiden nicht zwischen einer aktiven und einer latenten Tuberkulose.

Therapie

Neben der symptomatischen supportiven Therapie (antitussiv, antispastisch, Entlastung von Ergüssen etc.) folgt eine spezifische Therapie. Klassischerweise mit 4 Substanzen für 2 Monate und 2 Substanzen für weitere 4 Monate:

  • 2 Monate: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol.
  • 4 Monate: Isoniazid, Rifampicin.

Es gibt mittlerweile eine Reihe multiresistenter Stämme, z.B. RR-Tb (Rifampicin-resistent), MDR-Tb (multi-drug-resistant, mindestens gegen Rifampicin, Isoniazid), XDR-Tb (xtreme-resistant) zusätzlich resistent gegenüber Medikamenten der 2. Wahl.

Im Übrigen ist die Tuberkulose nicht nur meldepflichtig, sondern sogar behandlungspflichtig in Deutschland. Bei Nichteinhaltung des lange dauernden Therapieregimes erfolgt eine staatliche Unterbringung und Behandlung („Maßregelvollzug“, §30(2) IfSG) in Parsberg.

Prävention und Schutzmaßnahmen

Patienten mit Verdacht auf eine offene Tuberkulose müssen konsequent isoliert werden. Spannend ist, erst mal auf die Idee der möglichen Tb zu kommen. Im besten Fall sollte die Unterbringung in einem Zimmer mit Niederdrucksystem erfolgen.

Wenn Patienten selbständig atmen, sollte sie FFP2-/3 Masken ohne Ausatemventil tragen und bei Hustenstößen in die Ellenbeuge husten. (Kommt uns das irgendwie bekannt vor?)

FFP Masken filtern alles, was >0,6um groß ist. Leckage und Schutzwirkung unterscheiden sich. FFP2-Masken liegen bei einer maximalen Leckage von 11% und einer Schutzwirkung von mindestens 94%, FFP3-Masken bei einer Leckage von <5% und einer Schutzwirkung von 99%.

Personal sollte nur in Vollschutz aktiv werden, am besten unter Verwendung einer FFP3-Maske. Mykobakterien sind klein: 2-5um lang und 0,2-0,5um breit. Coronaviren liegen bei 0,1-0,2um – aber dennoch nicht soweit davon entfernt. Deshalb ist er erhöhte Schutz durchaus gerechtfertigt.

An dieser Stelle verweise ich auf die Seite des RKI und die zuständigen Hygieneabteilungen und das Gesundheitsamt. Das ist doch ein wenig zu speziell für mein Blog hier im Einzel-Behandlungsfall.

Es sei noch der Hinweis gestattet, dass auch beatmetete Patienten (mit HME-Filtern) nicht 100% sicher von der Außenwelt abgeschirmt sind (Manipulation an den Atemwegen, Ausscheidung über Körpersekrete). Eine entsprechende Schutzausrüstung für das Personal ist auch in diesem Fall notwendig.

Nebenbei sei noch auf einen Fallbericht aus Heidelberg verwiesen, wo es zur präklinischen Reanimation einer Tb-positiven Studentin kam. Sehr spannend und eine empfehlenswerte weitere Lektüre!

 

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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