LL Prähospitales Atemwegsmanagement – Nachtrag

 

Wegen meines letzten Beitrags zum Thema „Leitlinie prähospitales Atemwegsmanagament“ muss ich einen kurzen Nachtrag hinterher schießen.

Ein aufmerksamer Kollege hat mich darauf hingewiesen, dass nicht nur für die offensichtlich problematischen Maßnahme wie die Intubation oder die Platzierung von EGA Mindestzahlen vorgeschrieben werden; auch für die Beutel-Masken-Beatmung gibt es solche Forderungen: 100 Anwendungen am Patienten, natürlich unter kontrollierten klinischen Bedingungen, davon mindestens 5 am Kinde. Jährliche Wiederholungen: 10 Stück. Diese Zahlen sind in der Anlage in Tabelle 10 … untergebracht. Im Fließtext habe ich das auch nach wiederholtem Lesen der Leitlinie nicht gefunden; für Intubation und EGA werden dort die Zahlen angegeben, bei der Beutel-Masken-Beatmung nicht. Es bleibt bei einem Verweis auf die Tabelle im Anhang im allgemeinen Teil. Na komisch.

In meinem ursprünglichen Beitrag hatte ich schon darauf hingewiesen, dass auch eine Beutel-Masken-Beatmung selbstverständlich schwierig sein kann und geübt werden muss. Dass das aber doch in der Leitlinie explizit angesprochen wird, habe ich (leider) übersehen.

Damit haben wir jetzt aber ein wirkliches Problem. Denn obwohl Leitlinien keinen rechtlich verbindlichen Charakter haben, muss man es schon gut rechtfertigen, warum man vom anerkannten Stand der Wissenschaft und Behandlungsstandard abweicht. In der Regel sind das ja medizinische Gründe, oder dass die Leitlinie in dem beobachteten Fall nicht so richtig mit dem realen Fall übereinstimmt.

Aber wenn jetzt ein Angehöriger behauptet, man habe nicht „gut genug“ beatmen können, stehen wir in der Beweislast (Beweislastumkehr sei Dank). Das erste was ein Gutachter und Richter machen wird, ist die Leitlinien zu konsultieren. Und dann kommen die unangenehmen Fragen: Wie soll man es rechtfertigen, dass man nicht genug trainiert hat, obwohl es sogar ausreichend Evidenz und Empfehlungen dazu gibt? — Das kann man eigentlich gar nicht rechtfertigen.

Es bleiben nicht viele ausreichend qualifizierte Leute übrig

Damit fallen im Prinzip alle nicht-ärztlichen Mitarbeiter in Sanitäts- und Rettungsdienst raus; ebenso alle nicht-anästhesiologischen Kollegen, die als Notarzt fahren. Denn präklinische Übung gilt ja explizit nicht.

Lustigerweise gab es noch vor Veröffentlichung der Leitlinie ein Rundschreiben des Bundesarztes des DRK Peter Sefrin, dass aufgrund der Leitlinie nicht mehr der Larynxtubus gelehrt, sondern wieder auf die Beutel-Masken-Beatmung in der Ausbildung der ehrenamtlichen Helfer umgeschwenkt werden solle.

Das ist offensichtlich auch Augenwischerei.

Wie kriegen wir das in die Praxis umgesetzt?

Die Leitlinie ist gut gemeint und spricht ein wichtiges Thema an, nach wie vor, und da gibt es auch keinen Einwand. Ich hätte mir aber Vorschläge gewünscht, wie die hohen Anforderungen den Weg in die Routineausbildung (und Wiederholung), sprich die Praxis, finden sollen.

Wo die Leitlinie nun existiert, ist jede Anwendung einer Beatmung mit Unsicherheit verbunden, wenn man nicht gerade Facharzt für Anästhesie ist; oder sehe ich das falsch? Schreibt mir gerne Kommentare dazu.

Werden bei euch die Zahlen erreicht? Gibt es Ausbildungskonzepte, vielleicht von den ÄLRD, die die angesprochenen Probleme adressieren? Oder wird das Thema lieber ruhen gelassen…?

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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