Klimaschutz im Gesundheitswesen

 

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich schon mal etwas zum Thema „Umweltschutz und Narkosegase“ geschrieben. Dabei hatte ich darauf verwiesen, dass es dazu noch deutlich mehr zu schreiben gibt, es aber den Rahmen sprengen würde.

Heute möchte ich euren Blick weiten. Denn zwar ist die Anästhesie mit ihren Gasen ein eigenständiger Faktor für Klimabelastungen (sein Impact wird auf ca. 1% des globalen Treibhaus-Fußabdrucks geschätzt[1]), aber das Gesundheitswesen an sich ist da noch nicht mal berücksichtigt.

Im Bericht “Health Care’s Climate Footprint” der NGO “Health Care Without Harm” wird der Einfluss des Gesundheitswesens auf 4,4% der netto-Emissionen weltweit geschätzt. Das entspricht 2,0GtCO2e im Jahr 2014. Eine beeindruckende Zahl.

Wenn wir nun noch in die Überlegung mit einbeziehen, dass es bis 2050 zu keinen weiteren CO2-Emissionen kommen darf, wenn wir das 1,5 Grad Ziel erreichen wollen[2], haben wir hier ein Schwergewicht vorliegen. Ganz zu schweigen vom vielzitierten „Klima-Notfall“.

Woher kommen die Emissionen?

Ohne jetzt sofort auf die marode Bausubstanz vieler Krankenhäuser in Deutschland zu springen, müssen wir uns einmal fragen, woher eigentlich die ganzen Emissionen kommen. Karliner[1] hat das in Scopes ermittelt:

  • 17% sind direkte Emissionen durch die Gesundheitseinrichtungen, wie Betrieb von Gebäuden oder deren Fahrzeugen (Scope 1)
  • 12% sind indirekte Emissionen, die auf den zum Betrieb benötigte Energie zurückzuführen sidn (Gas, Wasser, Elektrizität)
  • 71% sind auf Lieferketten und deren Emissionen zurückzuführen. Dabei haben wir hier nicht nur ein lokales, sondern auch ein globales Problem, weil bis zu einem Drittel über internationale Lieferketten entsteht

Da die Scope-Zuordnung relativ stark verrechnet ist, kann man sich auch die Emissionsquellen nach WIOD-Kategorien anschauen (World Input Output Data). 40% entfallen auf die Nutzung fossiler Energieträger für die Gewinnung von Elektrizität, Gas, Hitze und Kühlung. Weitere 13% auf direkte Eimssionen im laufenden Betrieb.

Energie: Über 50% Anteil

Im Grunde kann man sagen, dass der Bereich Energie mit über 50% Anteil den besten Hebel für Reduktionen bietet. Und da kommen wir zu konkreten Quellen, die man auch bearbeiten kann. Die Frage ist nunmehr nicht mehr: Wie können wir CO2 reduzieren? Sondern: Wie können wir Energieverbrauch senken beziehungsweisen umweltfreundlicher gestalten?

Als konkrete Emissionsquellen fallen uns im Krankenhaus natürlich sofort ein paar ein:

  • Marode Bausubstanz der Gebäude mit Sanierungsstau
  • Heizsysteme sind in der Regel fossil
  • High- oder Low-Flow-Narkosen (s. mein alter Beitrag zu dem Thema)
  • Hochmoderne Geräte mit viel Energieverbrauch wie PET-CT
  • Einmalartikel!
  • Papierdokumentation

Um mal ein paar Zahlen zu nennen, damit ihr Eindruck bekommt, um was für eine Größenordnung es hier eigentlich geht: Das Uniklinikum Dresden ist ein Vorreiter, was ein gesundheitsverträgliches Krankenhaus angeht. Regelmäßig werden Umweltberichte veröffentlicht[4]. Ein paar Schlagzahlen habe ich mir rausgesucht:

  • Gesamtenergieverbrauch pro Jahr: ~96GWh, dabei 43,7GWh Elektrizität, 42,5GWh Fernwärme und 8,4GWh Erdgas
  • Papier: 20 Millionen Blätter pro Jahr
  • Abfall: 2.555 Tonnen pro Jahr

Kleinere Häuser mögen natürlich auch geringere Zahlen haben als ein Maximalversorger. Dennoch handelt es sich hier um schwindelerregende Dimensionen.

Papierdesaster…

Und wieder einmal zeigt sich hier auch das Desaster mit dem Papier. Denn Papierdokumentation ist nicht nur fehleranfällig (unleserlich, nicht zugreifbar = Datengrab), sondern auch noch massiv klimaschädlich. Digitalisierung würde insofern sogar zu Klimaschutz verhelfen. Aber das papierlose Krankenhaus ist ja immer noch in weiter Ferne. Leider… (ich will jetzt nicht vom Thema abkommen).

Durch Reduktion der Emissionen ergeben sich für einen Krankenhausträger auch konkrete Vorteile, die nicht unbedingt direkt auf Klimaschutz an sich zurückzuführen sind. Aber denken wir einfach mal an die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die Ukraine- und die Gaskrise mit ihren explodierenden Preisen. Sowieso steigen die Energiekosten kontinuierlich. Bei wenig Bedarf an solchen Energieträgern, sind Preisänderungen deutlich besser zu verschmerzen und gefährden nicht direkt die Liquidität des Hauses (Stabilität, Sicherheit).

Klimaschutz = Gesundheitsprävention

Außerdem ist das Erreichen des 1,5 Grad Ziels letztlich sogar ein medizinisches Ziel, also präventiv! Erwärmung, Hitzebelastung, Umweltbelastung durch Abgase führen zum Beispiel zu psychischen Erkrankungen, Lungenkrankheiten bis hin zu direkten Todesfällen durch die Hitze. Prävention ist auch ein Ziel unseres Gesundheitssystems.

Das Ziel aller Maßnahmen sollte also die massive Treibhausgasreduktion sein – aber bei Aufrechterhalt der hohen Qualität unserer Patientenversorgung. Also bitte nicht falsch verstehen: Es soll hier nicht etwas gekürzt werden; vielmehr geht es um eine Transformation.

Auf internationaler und nationaler Ebene wurde bereits viel geredet und auch schon entschieden (Übereinkunft von Paris, IPCC-Reports; Klimaschutzplan 2050, Klimaschutzgesetz). Letztlich ist es aber eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die wir meistern müssen und betrifft alle Stufen von global bis hin zum einzelnen Mitarbeiter, ob er nach der Arbeit das Licht in seinem Büro aus- und die Heizung runterschaltet.

Das Uniklinikum Dresden war zum Beispiel in den Schlagzeilen, weil es pro OP-Saal 8.2000kWh im Jahr eingespart hatte, einfach nur, weil die Lüftung in den nutzungsfreien Zeiten ausgeschaltet wurde. Im laufenden Betrieb ist das überhaupt nicht merkbar, dennoch hoch effizient. Wir benötigen mehr solcher Lösungen.

Wo kommt das Geld her?

Die Sanierung von Krankenhäusern ist dagegen ein ganz anderer Punkt. Zwar gibt es die Nationale Klimaschutzinitiative vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Aber um einmal die Ausschüttungssummen in Relation zu setzen: Von 2008 bis 2020 wurden insgesamt 1,22 Mrd. Euro gefördert. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft liegt der Sanierungsbedarf aller Gebäude aber „im zweistelligen Milliardenbereich“; und keiner sagt, wo das Geld dafür herkommen soll.

Angesichts der Tatsache, dass Energie über 50% des Fußabdrucks ausmacht, und die ungenügende Dämmung viele Anstrengungen verpuffen lässt, ist das eine Katastrophe. Da muss unsere Bundesregierung dringend nachbessern, im Zweifel mit einem „Sondervermögen“ (=Kreditaufnahme, ja, aber für eine bessere Zukunft).

Es bleibt aber festzuhalten, dass auch das Verhalten der einzelnen Mitarbeitern in der Breite Teil der Lösung sein muss. Ich kann ein Haus noch so gut dämmen – wenn die Fenster im Winter einfach immer stehen bleiben, bringt mir das gar nichts.

Habt ihr in euren Häusern Klima- oder Energiesparbemühungen? Eventuell sogar einen Klimamanager? Diskutiert gerne in den Kommentaren darüber.

 

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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