Vaptane – wo sind sie geblieben? Wie ist der Stand?

 

In meinem Artikel zum Diabetes insipidus und SIADH letztes Mal hatte ich schon einmal kurz die Vaptane als Therapieoption angesprochen, die sich bisher scheinbar nicht so sehr durchgesetzt haben. Es schloss sich eine Suche nach aktuellen Publikationen an, und tatsächlich: Die Indikationen und der Einsatz und Nutzen scheinen nach wie vor sehr begrenzt zu sein. Heute möchte ich euch über den aktuellen Stand informieren. Vaptane sind in der Medikamenten-Landschaft auch im Jahr 2023 eine Randerscheinung, mit Nischenindikationen.

Biochemische Basics

Wie immer beginnen wir mit biochemischen Basics. Vaptane als Benzazepin-Derivate sind hoch-spezifische V2-Rezeptor-Antagonisten. Diese Rezeptoren befinden sich im Sammelrohr der Nieren und führen normalerweise zum Einbau von Aquaporin 2 – Kanälen, die wiederum Wasser rückresorbieren. Geschieht dies nicht, wird pures Wasser ausgeschieden. Schlauerweise werden sie deshalb auch in die Gruppe der „Aquaretika“ eingeteilt – im Gegenteil zu den Diuretika, die als Saluretika (für „Salze“) bezeichnet werden.

Das einzige aktuell in der EU zugelassene Vaptan ist Tolvaptan, aber andere Substanzen sind bereits in den USA zugelassen, die verwandt sind: Lixivaptan (in Phase III, aber als Orphan Drug der FDA für ADPKD zugelassen) und andere wie Conivaptan, Mozavaptan, Satavaptan…

In der Folge, und in Ermangelung vernünftiger Reviews zu dem Thema, musste ich mich vor allem um Tolvaptan in der Recherche kümmern.

Indikationen

Für welche Einsatzgebiete ist es überhaupt zugelassen?

  • SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion), Schwarz-Bartter-Syndrom
  • ADPKD: autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung

Über das Schwarz-Bartter-Syndrom hatte ich letztes Mal schon einiges geschrieben (s.o.) In der Kurzform ist es eine paraneoplastische pathologisch erhöhte Sekretion von antidiuretischem Hormon ADH, was zu einer krankhaften Wasserretention führt. Infolgedessen dominierte die Verdünnungs-Hyponatriämie (hypervoläme Hyponatriämie).

Die andere Indikation ist ein recht häufiges Krankheitsbild, tatsächlich sogar die häufigste genetische Erkrankung: die ADPKD mit einer Inzidenz von 1:1000 bis 1:2.500. Mutationen in den Proteinen Polycystin 1 und 2 führt zur Ausbildung der polyzystischen Nieren. Polycystin 1 ist ein Zelladhäsionsmolekül, Polycystin 2 ein Ionenkanal, welcher zur Flüssigkeitsansammlung in den Zysten führt, wenn er gestört ist. Die Zysten trennen sich allmählich von funktionierendem Epithel und können im Verlauf auch einbluten mit adrenalen Hämatomen als Folge.

Polyzystische Nierenerkrankung

Patienten mit ADPDK haben ein erhöhtes Risiko für weitere renale Funktionsstörungen: Pyelonephritis, zystische Infektionen und Harnsteine. Im Verlauf entwickelt sich bis zum 60. Lebensjahr bei 35-45% der Patienten ein Nierenversagen. Hingegen entwickeln die Hälfte der Patienten auch niemals Symptome und die Krankheit bleibt somit unterdiagnostiziert (eine „orphan disease“ halt).

Die polyzystischen Nieren fallen meist wegen Begleitproblemen auf: Flankenschmerzen aufgrund einer Pyelonephritis oder Steinabgängen, die Abklärungen verursachen (z.B. mit Ultraschall – darüber erfolgt auch in der Regel die Diagnose).

Zu dem Thema gibt es auch einen sehr ausführlichen Beitrag bei MSD Manuals – bei Interesse mal vorbei schauen. Vor allem die Entscheidung, ob eine genetische Beratung und Aufklärung durchgeführt werden soll – oder auch nicht (Stichwort: Lebensversicherung) ist interessant beantwortet.

Als wichtigster prognostischer Faktor wird die Nierengröße genannt: Ein Gesamtnierevolumen > 1500ml spricht für ein schnelleres Fortschreiten der Erkrankung.

Ein großes Problem bei der ADPKD ist die Blutdruckeinstellung. Wir erinnern uns, dass die Nieren über ihr Renin-Angiotensin-Aldosteron System maßgeblich am Wasserhaushalt und damit auch der Blutdruckbildung beteiligt sind. Eine strenge Einstellung ist wichtig. Verkomplizierend kommt hinzu, dass solche Patienten häufiger zerebrale Aneurysmen haben, natürlich im Rahmen von Blutdruckkrisen rupturieren können.

Jetzt kommt Tolvaptan

Und nun kommt Tolvaptan ins Spiel: Es scheint bei schnellen Verläufen den Progress zu bremsen und insbesondere die Zunahme des Nierenvolumen als Indikator für den Progress zu verlangsamen.

In allen Studien und Publikationen wird auf die Compliance und die Toleranz des Patienten gegenüber der Aquarese hingewiesen. Ich habe das Mittel noch nicht im Einsatz gesehen, aber die Diurese scheint massiv zu sein. Insofern muss dringend auf den Wasserhaushalt des Patienten geschaut werden, damit die Volumenüberlast nicht zu einem -mangel führt.

Weiterhin scheint es bei Patienten mit Leberfunktionsschäden zu Versagen führen und ist deshalb bei solchen Patienten kontraindiziert, ebenso bei Patienten unter 18 Jahren.

Im Falle der ADPKD ist Tolvaptan sogar ein ganz interessantes Medikament, trotz der Einschränkungen, weil es bis vor ein paar Jahren überhaupt keine Möglichkeiten gab, einen Progress zu verringern (Stichwort: Geplante Dialysepflicht im Alter ab Diagnose). Die Konkurrenz in diesem Feld wäre das Somatostatin-Analogon Octreotid-Long lasting release (-LAR), das aber nur in Italien zugelassen ist. Tolvaptan darf im Vergleich weltweit verschrieben werden.

Weitere Einsatzgebiete sind unklar

Jetzt haben wir aber immer noch nicht über einen Einsatzbereich der Vaptan gesprochen, der ja nun offensichtlich ist: Hyponatriämie aufgrund von Volumenüberlast bei z.B. „Bier-Potomanie“. Die European Society of Endocrinology erwähnt in ihrer Hyponatriämie-Leitlinie die Vaptane nur als Randerscheinung[1]. Wirklich überzeugt scheinen die nicht zu sein (mal abgesehen von der fehlenden offiziellen Zulassung). Na gut.

Und was ist mit einer dekompensierten Herzinsuffizienz bei Volumenüberlast? Na ja – meist sind solche Patienten gar nicht objektiv volumen-überladen, sondern benötigen vielmehr (guten Blutdruck vorausgesetzt) eher einen Nitro-Perfusor. Das Volumen ist nämlich in der Regel „okay“, nur fehlverteilt, was die beobachteten Effekte mit Lungenödem etc. bietet. Eine Wasserausscheidung wäre an dieser Stelle also im Grunde überhaupt nicht zielführend. Mal davon abgesehen sieht es so aus, dass Tolvaptan nur als Oralia verfügbar ist und somit bei einem luftnötigen Patienten eher schwer zu verabreichen wäre. Auch Studien untermauern diese Rationale[3].

Habt ihr das Mittelchen schon mal im Einsatz gesehen? Schreibt gerne Meinungen und / oder Erfahrungsberichte in die Kommentare. Ich freu mich drauf 😊

 

 

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Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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