Diabetes insipidus und Gerinnung: Desmopressin

 

Da ich ja auf meine Leser höre und auch für jede Eingabe dankbar bin, heute erneut ein Themenwunsch von Lea: Desmopressin, im Sprachgebrauch unter dem Handelsnamen Minirin® bekannt und in Verwendung. Was ist das, wie funktioniert es?

Zwei große Indikationsbereiche fallen uns sofort ein: Diabetes insipidus, wie er zum Beispiel auch auf Intensivstation ab und zu auftritt und die Blutungsneigung aufgrund von Thrombozytendysfunktionen. Dazu später mehr.

Da es ein synthetisches Analogon von Vasopressin ist, müssen wir uns dies erst einmal genauer anschauen. Vasopressin, Antidiuretisches Hormon oder kurz Adiuretin ist ein Pepitdhormon mit insgesamt nur 9 Aminosäuren, ist also super kurz ist (deshalb Peptid- und nicht Protein-). Es wird im Hypothalamus produziert und über den Hypophysenhinterlappen ausgeschüttet. Biochemie und Physio lassen grüßen… Das Prä-pro-Peptid ist übrigens 145 Aminosäuren lang und wird über mehrere Schritte hinweg gespalten, bis es seine endgültige Form hat, mit Ringstruktur und Disulfidbrücke und, wie gesagt, sehr kurz.

Die Vorklinik lässt grüßen

Der Name des Hormons ist im Grunde erst mal sehr bildlich: Antidiurese bedeutet Wasserretention über den Einbau von Aquaporin-2 Kanälen im Sammelrohr der Niere (vermittelt durch V2-Rezeptoren). Das führt zu einer erhöhten Rückresorption und verminderten Ausscheidung.

V3-Rezeptoren gibt es übrigens auch im Hypophysenvorderlappen, von wo es wiederum mit den Stresshormonen CRH und ACTH ausgeschüttet wird und somit auch etwas mit der Stressantwort des Körpers zu tun hat. Wenn wir an unsere Intensivpatienten denken, denken wir ja durchaus auch an Patienten, die viel Wasser retinieren im Rahmen ihrer kritischen Erkrankungen.

Wassermangel und die damit einhergehende Erhöhung der Osmolalität führen zur Sekretion; verminderte Osmolalität hemmt die Sekretion; ebenfalls ist Volumenmangel ein Stimulus.

Durch die erhöhte Rückresorption von Wasser wird das intravasale Volumen erhöht; außerdem wirkt Vasopressin in höheren Dosen auch direkt vasokonstringierend; beides erhöht den Blutdruck. Auch da ist der Name zum Glück sehr sprechend, sodass man das gut lernen kann 😉

Durchfluss ohne Geschmack

Diabetes insipidus centralis (=“Durchfluss ohne Geschmack“) bezeichnet einen Zustand von ADH-Mangel durch eine zentrale Bildungsstörung. Durch die ungenügende Produktion von ADH wird in der Niere wenig bis gar nichts im Sammelrohr rückresorbiert, sondern landet im Urinbeutel. Der Urin ist dann auch völlig weiß und klar (und hat keinen Geschmack, nicht wie beim Diabetes mellitus, für die, die es schon mal ausprobiert haben).

Diabetes insipidus renalis bedeutet, dass zwar ADH gebildet wird, aber an der Niere eine Resistenz besteht, die dessen Wirkung abschwächt oder gar verhindert (Mutation, Tumor).

SIADH: Syndrom der inadäquaten ADH Sekretion

Und dann gibt es noch das SIADH: Das Syndrom der inadäquaten ADH-Ausschüttung, was auch sehr gerne in Fragen des DESAIC abgefragt wird. Dabei wird vor allem inadäquat viel ADH ausgeschüttet, was in einer übermäßigen Wasserretention resultiert; ggf. mit Hyponatriämie und andere Elektrolytstörungen als Begleiterscheinung, durchaus bedrohlich (Schwarz-Bartter-Syndrom). Auslöser dafür können sein:

  • Trauma (auch OP-Trauma!)
  • Sepsis
  • paraneoplastisch bei Lungenkarzinom

Es scheint ein paar Medikamente zu geben, die auch ein SIADH auslösen können[1], ggf.

  • Opioide und NSAID
  • Carbamazepin
  • SSRI, Venlafaxin
  • Antipsychotika
  • Cyclophosphamid, Vincristin

Die Therapie des SIADH ist im Grunde „simpel“ laut Lehrbüchern: Ursache beseitigen, Flüssigkeitsbeschränkungen (Trinkmengenbeschränkung). Und dann muss man „nur noch“ die Ursache rausfinden…

Es gibt übrigens auch Vasopressin-Antagonisten, die Vaptane. Deren Nutzen ist meines Wissens nach aber mindestens umstritten.

Gerinnungsaktive Wirkungen!

Nun aber zur zweiten Wirkung, die mindestens genauso interessant ist. Vermutlich hattet ihr auch schon mal Patienten mit einer Thrombozytenfunktionsstörung, von-Willebrand-Syndrom bzw. einer „Blutungsneigung“. Die bekommen kurz vor der OP ihr Nasenspray mit Desmopressin und alles soll gut sein. Aber wie funktioniet das?

Desmopressin (DDAVP, oder 1-desamino-8-D-Arginin Vasopressin) ist zuallererst einmal ein synthetisches Analogon von Vasopressin. Es hat eine längere Halberwertszeit (Desmopressin 2-3 Stunden, Vasopressin 10min) und hat keinen vasokonstriktorischen Effekt. Es ist genauso wie Vasopressin beim Diabetes insipidus einsetzbar und wirkt genauso bei ADH-Mangelsituationen. Es kann probatorisch bei der Frage auf Diabetes insipidus gegeben werden und dient dann als Diagnostikum.

Weitere Einsatzgebiete sind aber, wie bereits beschrieben, Blutungsneigungen[2]:

  • von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
  • Hämophilien
  • Urämische Thrombozytopathie

Desmopressin tut nämlich noch mehr, als bisher gesagt (natürlich J ). Es erhöht die Plasmakonzentrationen von vWF, Faktor VIII und die intrazellulären Calcium und Natrium-Konzentrationen. Außerdem fördert es die Plättchenaktivierung unter Fluss in der Strombahn[3-5].

Das alles hat dann tatsächlich positive Effekte. Desborough und Kollegen führten in einer Metaanalyse aus, dass Patienten unter Antikoagulation im Setting einer kardiopulmonalen Bypass-OP nach Gabe von Desmopressin tatsächlich 25% weniger EK und ein niedrigeres Risiko einer Revision aufgrund von Nachblutung hatten[6].

Limitationen bzw. wo wirkt es nicht?

Bei einer Vielzahl von Thrombozytenfunktionsstörungen wirkt Desmopressin; bei Rezeptordefekten aber meist nicht: Thrombasthenie Glanzmann, Bernard-Soullier-Syndrom. Beim Pseudo-Von-Willebrand-Syndrom kann Desmopressin zu einer spontanen Verbrauchskoagulopathie führen und soll deshalb nicht eingesetzt werden.

Nebenwirkungen sind in der Regel moderat, können aber auch bei wiederholten Gaben deutlich ausfallen:

  • Flush
  • Kopfschmerzen
  • Risiko von Wasserretention mit Hyponatriämie, Hirnödem, Krampfanfällen

Empfehlungen aus der S2k Leitlinie „Therapie angeborener thrombozytärer Erkrankungen“[7]:

  • DDAVP soll bei Storage Pool Erkrankungen und unbekannten / nicht klassifizierten Erkrankungen verwendet werden
  • DDAVP soll bevorzugt einmalig angewendet werden
  • Die Gefahr der Flüssigkeitsretention soll beachtet werden

Ein Stufenschema zur Diagnostik und der perioperativen Nutzung von Desmopressin ist in der A&I veröffentlicht worden.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Desmopressin sowohl antidiuretische als auch gerinnungsaktive Eigenschaften aufweist. Das eine gibt es nicht ohne das andere, und das muss bei der Nutzung bedacht werden. Allgemein handelt es sich aber um ein gut verträgliches Medikament. Und: Das SIADH wird gerne im DESAIC gefragt J

 

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