Hyponatriämie – Symptome und Therapie

Die Hyponatriämie ist eine sehr häufige Abnormität, die zumindest milde bei bis zu 30% der hospitalisierten Patienten gefunden wird. Milde und ohne Symptome muss sie meist gar nicht besonders – vielleicht mit Ausnahme von „normaler“ Infusionstherapie mit balancierten Vollelektrolytlösungen – behandelt werden. Kommen aber Symptome hinzu, wird es spannend. Eine Überkorrektur ist mindestens genauso schädlich wie der reine Natrium-Mangel.

Aber lasst uns das Feld von vorne aufrollen.

Durch einen wie auch immer gearteten Mangel an Natrium fehlt im Blut das wichtigste osmotisch wirkende Ion. Es kommt zu einer Flüssigkeitsverschiebung nach intrazellulär und die Zellen schwellen an. Insbesondere im Gehirn ist das ein großes Problem.

Übrigens kann man das auch künstlich herbeiführen, indem man größere Mengen Glukose 5%  zuführt. Man nennt diese Infusion gemeinhin „freies Wasser“, weil es selbst keine osmotisch wirksamen Teilchen enthält. Insta-Hirnödem sozusagen. Balancierte Volleketrolytlösungen sind meist die bessere Wahl (übrigens auch bei der Hypernatriämie, bei der meist „einfach“ nur ein Volumenmangel vorliegt, der therapiert werden muss; und nicht das Zuviel an Natrium).

Hinweis: In diesem Artikel möchte ich mein Augenmerk insbesondere auf die Therapie der hypotonen Hyponatriämie legen, die die häufigst anzutreffende Ursache im klinischen Alltag ist. Andere Ursachen würden die Beitragslänge für mein Blog sprengen und könnten in einem Folgeartikel behandelt werden (so zum Beispiel das SIADH und Konsorten).

Definitionen

Viele Informationen dieses Artikels stammen aus der Leitlinie Hyponatriämie aus dem European Journal of Endocrinology (die sollten es ja am besten wissen 😉 ), so auch die folgenden Definitionen.

  • Na+ >=130 und <=135mmol/L: milde Hyponatriämie
  • Na+ >=125 und <=129mmol/L: moderate Hyponatriämie
  • Na+ <125mmol/L: Ausgeprägte Hyponatriämie

Zeitliches Auftreten:

  • akut: neu aufgetreten < 48 Stunden
  • chronisch: > 48 Stunden
  • bei fehlender Klassifizierbarkeit wird die Hyponatriämie als chronisch eingestuft (wegen der erhöhten Gefährlichkeit bei iatrogenem Anheben der Serumkonzentration)

In der Tat wird bei der Behandlung einer vermuteten Hyponatriämie aber nicht nach der Zeit geschaut, in der sie sich entwickelt hat, sondern nach der Schwere der Symptome. Bei ausgeprägten Symptomen wird zumindest in der ersten Stunde eher forsch therapiert (s.u.).

Symptome

Die Symptome der Präsentation sind logischerweise auf die Hirnschwellung unterschiedlichen Ausprägungsgrades zurückzuführen.

Moderate Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Verwirrung, Ataxie, Areflexie.

Schwere Symptome sind unstoppbares Erbrechen, Krämpfe, Koma, bis zur Apnoe wegen Herniation des Hirnstammes.

Wie schwer die Symptome ausgeprägt sind, hängt direkt mit dem Zeitraum zusammen, in dem sich die Hypoantriämie ausgebildet hat: Je akuter, desto gravierender die Symptome; im Gegensatz dazu können sich Hirnzellen bei langsamer Veränderung der Serumspiegel an das Niveau anpassen und enthalten dann auch kompensatorisch weniger Natrium, sodass es zu keinem (oder einem geringeren) Wassereinstrom einwärts kommt.

Diagnose

Die Anamnese ist wie immer ein entscheidender Pfeiler unserer Tätigkeit. Sie gibt vor allem Hinweise auf die Progressgeschwindigkeit: Akut, oder doch eher chronisch? Hat der Patient eventuell zu viel hypotone Flüssigkeit getrunken, oder hat er viel geschwitzt? Schweiß ist normalerweise hypoton, aber bei forciertem Schwitzen (wie beim Arbeiten auf dem Bau oder einem Marathonlauf) verliert der Patient zusätzlich Salze, weil sie im Drüsengang nicht mehr ausreichend rückresorbiert werden können.

Weiterhin gibt es Fallberichte, wo Patienten über die Aufnahme von viel niedrigprozentigem Alkohol ebenfalls eine Hyponatriämie herbeiführen konnten. Das liegt wohl an dessen niedrigem Löslichkeitskoeffizienten. Das nennt sich in der englischsprachigen Literatur dann passend Beer-Potomania.

Hyponatriämie ist ebenfalls ein häufiger Nebenbefund bei Leberzirrhose und ein prognostischer Marker. Sie ist ein Vorläufer zu Aszites ein Einlagerungen.

Therapie

Der klassische ABCDE-Ansatz ist wie immer anwendbar, wenn auch ursprünglich aus dem ATLS stammend. Wenn also ein Patient massiv eingetrübt ist und aspirationsgefährdet bei uns angelangt, muss natürlich erst einmal symptomatisch und klinisch das Überleben gesichert werden, bevor es zu weiterer Diagnostik und Therapie kommen kann.

Das Labor ist wegweisend. In jedem normalen Aufnahmelabor sind die Elektrolyte schließlich standardmäßig enthalten. Aber danach geht die Frage los: Was tun?

Die angesprochene Leitlinie ist zwar etwas sperrig, liefert aber auch in übersichtlichen Flowcharts Informationen über den genauen weiteren Diagnoseverlauf.

Die Autoren empfehlen folgende Maßnahmen als 1-Hour-Bundle bei schweren Symptomen:

  • Sofortige Infusion von 150ml NaCl 3% über 20 Minuten
  • Überprüfung des Natriums, danach erneute Gabe von 150ml NaCl 3% über 20 Minuten
  • Wiederholung, bis ein Anstieg von 5mmol/L erreicht werden konnte
  • Natriumkontrollen nach jeder Einzelgabe

Andere Quellen fügen hinzu:

  • regelmäßige Natrium-Kontrollen, nach der ersten Stunde zumindest stündlich, solange hypertones NaCl infundiert wird

Ein anderes Schema wäre:

  • NaCl 3% über Perfusor mit einer Rate von 1ml / kg / h (das wäre dann weniger forsch als der o.g. Dosierungsvorschlag)

Eine symptomatische Hyponatriämie ist ein Notfall, der auf einer Intensivstation behandelt und kontrolliert werden muss. Eine arterielle Kanüle macht insofern Sinn, als die Blut-Natrium-Spiegel in kurzen Zeitabständen kontrolliert werden müssen (möglichst ohne Verdünnungs-Bias, der bei Viggos passieren kann).

Nachdem der Zielanstieg erreicht wurde, darf die Viggo mit einer normalen Elektrolytlösung (und ja, auch NaCl 0,9%) offen gehalten werden. Danach soll die Ursachenforschung begonnen werden.

Beendigung der Therapie

Zielwerte der Natrium-Therapie:

  • maximaler Anstieg von 1mmol/L pro Stunde
  • maximal 10mmol/L Anstieg in den ersten 24 Stunden, oder wenn die Symptome des Patienten sich deutlich verbessern (was auch immer zuerst eintritt)
  • maximal 8mmol/L Anstieg an allen folgenden Tagen, bis die Serumkonzentration 130mmol/L erreicht

Bei Patienten ohne milde oder schwere Symptome steht zunächst die Ursachenforschung im Vordergrund und nicht die Korrektur eines solitären Laborwerts! Flüssigkeitsrestriktion erscheint sinnvoll, um eine weitere Überladung zu vermeiden.

Von Vaptanen (ADH-Antagonisten) und Demeclocyclin wird explizit wegen der schlechten Steuerbarkeit abgeraten.

NaCl 3%

Lustigerweise liest man in eigentlich allen Veröffentlichungen von NaCl 3% als dem Therapieansatz der Wahl, um die Hyponatriämie auszugleichen. Wenn man das aber in der Roten Liste sucht, wird man diese Konzentration nur als Nasenspray finden. Das ist schon blöd. Im Zweifel liegt da ein hoch symptomatischer Patient vor einem, und man hat nur NaCl 0,9% oder direkt 10% zur Verfügung.

Zur Erinnerung: Ein zu schneller Ausgleich auf „normale“ Werte führt zum osmotischen Demyelinisierung-Syndrom (radiologisches Korrelat: Zentrale pontine Myelinolyse), das lebenslange Schäden verursacht. Ein zu schneller (unkontrollierter) Anstieg, zum Beispiel über die unkontrollierte Zufuhr von höherprozentigem NaCl, ist deshalb unbedingt zu vermeiden.

Kochrezept

Aber wie mischen wir das nun an? Die einfachste Variante ist die Anmischung und Vorhaltung durch die Apotheke (überlassen wir das Mischen den Experten 😉 ).

Ansonsten kann man aber auch selbst mischen, eigentlich einfach: 30ml NaCl 10% + 70ml Aqua dest. Das Problem: Wir können ja nicht einfach in Bechergläsern Dinge zusammenmischen. Es sollte schon steril sein, was wir dem Patienten verabreichen.

Nun können wir Formeln bemühen, z.B. hier sehr gut beschrieben. Damit ist es möglich, auch andere Konzentrationen zu einer Zielkonzentration zusammenzubringen. Zum Beispiel NaCl in 10% und 0,9%, um schließlich die gewünschten 3% zu erreichen. Dass es dafür aber keine vorgefertigten Kochrezepte gibt, hat mich in meiner Recherche überrascht.

Merke: Für 50ml NaCl 3% mische 11,5ml 10% und 38,5ml 0,9%

Wem das immer noch nicht ausreicht, darf sich meine App ADcalc anschauen, da ist die entsprechende Formel als „Verdünnungsrechner“ hinterlegt. Kompliziertere mathematische Operationen im Kopf in einer Notfallsituation sind naturgemäß eher gefährlich (auch wenn es bestimmt wieder Kollegen gibt, die Taschenrechner „albern“ finden. Aber Sicherheit geht meiner Meinung nach vor!).

So viel dazu für den Moment. Wie sind eure Erfahrungen? Was für Kochrezepte werden in euren Kliniken verwendet? Lasst es mich wissen 🙂 !

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

2 Kommentare

    • Stefan Kühn auf 15. Dezember 2020 bei 09:27
    • Antworten

    Super Artikel. Gibts die App auch für den Apple Store ?!

    1. Dankeschön 🙂

      Da die Hürden v. a. finanzieller Art im Appstore so hoch sind, wird es die App absehbar leider nur für Android geben… Sorry 🙁

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