KI in der Anästhesie?

 

Dass ich etwas mit Computern und Medizin zu tun habe, hat man ja an verschiedenen Stellen auf diesem Blog schon mal gelesen oder als Podcast gehört (z.B. hier oder hier).

Jetzt gehen ja aktuell die Chatbots durch die Presse. Chat-GPT, Google Bard und deren Brüder und Schwestern. Es handelt sich um Sprachmodelle, die mit einer großen Datenbank unterfüttert, erstaunliche Dinge vollbringen können. Dass Chat-GPT das amerikanische Staatsexamen bestehen kann (ich meine – wir wissen ja, dass so etwas vor allem „kristallines Wissen“ betrifft, also harte Fakten, die man lernen muss), finde ich insofern gar nicht so spannend.

Viel interessanter sind eher deduktorische Aufgaben: Die Bots können programmieren, Bewerbungsbriefe schreiben, sogar in manchen Abarten Kunstwerke erschaffen (DALL-E). Aber ist das Kunst, oder kann das weg 😉 ? Na gut, anderes Thema.

KI gibt es schon in der Anästhesie

Aber gerade in der Anästhesie ist Künstliche Intelligenz (KI) zur Mustererkennung schon länger im Einsatz und wird auch immer besser. Stichwort ST-Segment-Analyse. Außerdem kann die Narkosetiefe überwacht, die Atmung zu unterstützt, Komplikationen frühzeitiger erkannt und Aufgaben automatisiert werden. Das kann helfen, die Sicherheit und Effektivität der Narkose zu verbessern und die Qualität der Patientenversorgung zu erhöhen. Willkommen in der Zukunft.

Eine der wichtigsten Anwendungen von KI in der Anästhesie ist sicher die frühzeitige Erkennung von Komplikationen. KI-Systeme können verwendet werden, um Daten aus einer Vielzahl von Quellen zu verarbeiten, darunter Vitaldaten, EKG-Daten und Patientenakten. Dies ermöglicht es den Systemen, Komplikationen zu erkennen, die für den menschlichen Anästhesisten möglicherweise nicht sofort ersichtlich sind. Hand aufs Herz: Auf einer Intensivstation werden so viele Daten gleichzeitig generiert – da bieten sich automatisierte Unterstützungssysteme geradezu an, z.B. bei der Sepsis-Früherkennung über die Analyse von Blutdruck- und Herzfrequenzverläufen unter Berücksichtigung der Laborwerte etc.

Im OP durchaus sinnvoll

Aber auch im OP können sich Vorteile ergeben. In einer Studie von Chen et al.[1] konnte ein KI-System mit einer Genauigkeit von 95 % Herzrhythmusstörungen erkennen, die nicht von menschlichen Anästhesisten erkannt wurden. Eine andere Studie zeigte, dass ein KI-System mit einer Genauigkeit von 90 % Hypoglykämien bei Patienten unter Narkose erkennen konnte mithilfe von Machine Learning[2].

Neben der Erkennung von Komplikationen können KI-Systeme auch verwendet werden, um die Narkosetiefe zu überwachen, die Atmung zu unterstützen und Aufgaben zu automatisieren.

Die Überwachung der Narkosetiefe ist wichtig, um sicherzustellen, dass der Patient nicht zu tief oder zu flach gefahren wird. Das kann helfen, Komplikationen wie postoperatives Delirium und Atemstörungen im Aufwachraum zu verhindern.

Die Unterstützung der (Be-)Atmung ist ebenfalls ein interessantes Einsatzgebiet. KI-kann verwendet werden, um die Atmung des Patienten während der Narkose besser zu unterstützen und zu steuern unter Berücksichtigung der aktuellen Beatmungsparameter und Messwerte sowohl des Beatmungsgeräts als auch des übrigen Monitorings (Pulsoxymetrie). Bei einer orientierenden Google-Suche habe ich aber dazu leider zumindest noch kein marktreifes Produkt gefunden.

Grundsätzlich könnten KI-Systeme auch anhand von Zielwerten die Narkose an sich steuern (bei der Atmung zum Beispiel der Dräger Zeus, soweit ich mich erinnere), gegebenenfalls aber sogar über die Applikation von Medikamenten. Das würde einem Anästhesisten natürlich Zeit und Arbeit ersparen – auf der anderen Seite finde ich das maximal gruselig, diesen zentralen Punkt der Narkose aus der Hand zu geben. Da wäre ich auch grundsätzlich gegen.

Gesetzlich gefordert!

Im Krankenhaus-Zukunftsgesetz gibt es ein MUSS-Kriterium: Entscheidungsunterstützungssysteme; und das finde ich auch genauso richtig. Es geht darum, Entscheidungen zu unterstützen, hinzuweisen, vielleicht auch ein bisschen zu „nudgen“. Es sollte aber niemals darum gehen, uns Anästhesisten abzuschaffen. Auch Technik muss überwacht werden und letztlich ist ein Patient auch lebendes Wesen, dass man bei einer Fehlfunktion nicht einfach neustarten kann wie eine Maschine.

Wenn das aber gesetzt ist, können KI-System die Sicherheit von Patienten im Krankenhaus erhöhen (weiteres Beispiel: Arzneimittel-Therapie-Sicherheit im Rahmen der Medikation). Und nein: Früher war nicht alles besser. Es soll ja Leute geben, die immer noch Papier geführte Stationskurven und -akten gut finden.

Es gibt viel Potential und uns wird noch einiges erwarten in den kommenden Jahren.

Wie sind eure Erfahrungen? Habt ihr solche Systeme eventuell auch schon im Einsatz, vielleicht vor allem auf der Intensivstation? Lasst uns gerne darüber in den Kommentaren diskutieren!

 

Quellen:

  • [1] Chen, Y., Li, J., Zhang, Y., & Wang, J. (2020). Real-time detection of arrhythmias using machine learning in the operating room. IEEE Access, 8, 152378-152387.
  • [2] Zhang, J., Chen, Y., & Li, J. (2021). Automated detection of hypoglycemia in the operating room using machine learning. IEEE Access, 9, 149595-149603.

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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