Was ist eigentlich … Medizininformatik?

Das „papierlose Krankenhaus“ ist ein geflügelter Begriff. Genauso wie das „papierlose Büro“ oder die „papierlose Anwaltskanzlei“. Vielfach ist das leider nur eine leere Worthülse, die in der Praxis auf sehr viel Papier, Insellösungen und Doppeldokumentation stößt.

Da ich mich mittlerweile auch beruflich um das Thema Digitalisierung in unserem Krankenhaus kümmern darf, möchte ich euch einen Einblick in diesen spannenden Querschnittsbereich geben.

Häufig werde ich gefragt: Was ist das überhaupt? Was machst du den ganzen Tag? Und, das Gefühl drängt sich mir manchmal auf, die Leute nehmen an, ich würde da nur rumsitzen und nichts Produktives tun.

Das Gegenteil ist aber der Fall! Mit dem richtigen Skillset kann man wirklich viel für die klassischen Angestellten im Krankenhaus erreichen.

Das Grundproblem ist ja folgendes: Es gibt den medizinischen Arm, dazu zählen Pflegepersonal und Ärzte. Die kümmern sich um die Medizin und dafür braucht man im Zweifel auch sehr wenig Computer-Unterstützung (zum Glück). Und dann gibt es die EDV/IT-Abteilung, bestehend aus Technikern. Die kümmern sich um die Netzwerke und Architektur, die Kommunikation zwischen den System etc.

Mediziner und ITler sprechen unterschiedliche Sprachen

Das Grundproblem ergibt sich logisch daraus: Das medizinische Personal möchte mit PCs so wenig wie möglich zu tun haben. Die möchten Patienten behandeln und keine Maschinen. Hinzu kommen Technikunverständnis, Defizite im Tippen auf der Tastatur (Technik a lá „Geier-Sturzflug“) und viel zu wenig Zeit, um sich mit den Systemen ordentlich auseinander zu setzen.

Auf der anderen Seite stehen die Techniker, für die ein paar Klicks mehr oder weniger überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Für die anwenderfreundliche Oberflächen in poppigen Farben eher Ablenkung als Hilfe sind („echte Männer schauen auf schwarze Bildschirme“). Und die auch mit komplexen Programmen recht problemlos zurecht kommen. Im Zweifel wird noch schnell ein Schnipsel gecodet, wenn wieder etwas nicht rund laufen sollte.

Heutzutage ist die Medizin aber auf IT-Unterstützung angewiesen. Zum Beispiel zur Abrechnung von ambulanten Leistungen mit der KV über das KV-SafeNet. Oder ganz aktuell: Die Telematik-Infrastruktur, die auch die Krankenhäuser trifft (zum Beginn nächsten Jahres müssen die Häuser angeschlossen sein, sonst drohen saftige Strafen, nur so nebenbei).

Aber auch zur ärztlichen/pflegerischen Dokumentation, Darstellung und Aufbereitung von Befunden, Entscheidungsfindung in Form von Unterstützungssystemen (Medikamenten-Interaktionscheck, Clinical Pathways/SOPs) sind PC-Systeme nicht mehr wegzudenken.

Das KIS ist der Dreh- und Angelpunkt in einem Krankenhaus

Das prominenteste Beispiel, das wohl jeder im Krankenhaus benutzt, ist das KIS, das Krankenhausinformationssystem. Es gibt natürlich wieder verschiedene (z.B. ORBIS, NEXUS, medico,..), sodass man sich noch schön umgewöhnen muss, wenn man die Arbeitsstelle wechselt.

Dieses System vereint alle Subsysteme eines Krankenhauses. Hier arbeitet der Arzt am selben Patientenfall, wie die DRG-Abteilung. Meistens leider eher benutzerfeindlich- denn freundlich. Aber meist klappt es mehr oder minder (überhaupt).

An dieser Stelle komme ich mit meiner Querschnittsstellung ins Spiel. Ich habe durch meine langjährige Arbeit als Arzt (in diesem Fall in der Anästhesie) einen Einblick in die Sichtweise und Bedürfnisse der medizinischen Mitarbeiter. Auf der anderen Seite habe ich Einblicke in die Funktionsprinzipien der IT-Systeme: Das betrifft die Logik der Systeme allgemein, die Kommunikation und Schnittstellen, aber auch Datenschutz und Qualitätsmanagement. Alles hängt miteinander zusammen.

Wenn der Arzt nicht richtig dokumentieren kann, kann nachher nicht richtig abgerechnet werden. Wenn es Regress-Forderungen gibt, und Befunde unsauber abgelegt sind, ergeben sich sogar rechtliche Probleme.

Gute Unterstützung verbessert die Patientenversorgung

Auf der anderen Seite können sauber unterstützte Prozesse die Effizienz der medizinischen Behandlung verbessern. Indem man Doppeldokumentation vermeidet, kann man wertvolle Arbeitszeit für die Mitarbeiter sparen, und vielleicht sogar zu einer verbesserten Patientenzufriedenheit beitragen (Nur ein Beispiel: Größe, Gewicht, Allergien! Ein Patient muss das in seinem Aufenthalt unzählige Male aufsagen, obwohl es einmal abgespeichert eigentlich für alles weitere zugänglich sein müsste!),

Da ich praktischerweise seit meiner Schulzeit programmiere, kann ich viele der notwendigen Änderungen auch, im Rahmen der Möglichkeiten von unserem KIS, sogar selbst herbeiführen. Ansonsten habe ich den direkten Draht zu unseren ITlern, die auch noch den ein oder anderen Trick auf Lager haben.

Ein paar Beispiele meiner letzten Monate: In der Arztbriefschreibung wird der schreibende Arzt automatisch mit der passenden Funktionsbeschreibung in den Brief eingebaut. Befunde und Diagnosen/Prozeduren können automatisch importiert werden, ohne Copy+Paste Aktionen seitens der Benutzer. Indem man ein einziges Aufnahmeformular ausfüllt, kann man mit einem Klick entweder einen Stationszettel oder einen Hausarztbrief generieren. Die Reihenfolge von Laborwerten wurde logisch sortiert (z.B. die Entzündungswerte zueinander gruppiert).

Die Digitalisierung der Intensivstation ist ebenfalls angedacht, aber erwartungsgemäß sehr komplex – das wird mit den KIS-Bordmitteln noch dauern. Schöner wäre ein dezidiertes System, aber das muss man ja leider kaufen (Budgets sind naturgemäß ein limitierender Faktor für jegliche Digitalisierungs-Bemühungen).

Ein anderes spannendes, aber sehr großes Thema ist das Rechte-Rollen-Konzept (Role based access model, RBAC). Datenschutz. Buh. Nicht jeder User muss alle Patienten sehen können. Nur diejenigen, die er behandelt. Stichtwort Datensparsamkeit. Könnte einen eigenen Blogbeitrag füllen.

Heute: Arzt – morgen: Medizinformatiker ?

Wie wird man das denn nun? Es gibt zwei Wege: Als Informatiker kann man sich an, meist FHs, für diesen Ausbildungsgang entscheiden. In der Praxis hatte ich noch nie Kontakt zu so jemandem. Offensichtlich sind diese Fachkräfte rar gesät. Die andere Möglichkeit ist, die „Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik“ bei der Ärztekammer zu erlangen. Dazu gehört am einfachsten ein 2-jähriger berufsbegleitendes Seminar. Ich habe meins beim mibeg-Institut in Köln absolviert (bin mit denen sehr zufrieden, deshalb etwas Werbung an dieser Stelle 😉 ). Andere Anbieter gibt es natürlich auch. Alternativ kann man in einem Institut für Medizininformatik arbeiten. An so eine Stelle zu kommen ist aber sicher deutlich schwieriger. Außerdem sind diese Institute meist sehr mathematisch orientiert und nicht so richtig praxistauglich für uns Kliniker.

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in eine andere Welt geben, die super wichtig für unsere tägliche Arbeit ist. Bei der gegenwärtigen Entwicklung ist es nötig, als Mediziner nicht den Anschluss an die Entwicklungen zu verlieren. Und noch besser – ein Wörtchen oder zwei mitzureden.

Bei Fragen bin ich wie immer erreichbar, über Kommentare, das Kontaktformular etc.; ihr kennt das 🙂

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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