Nutzt mehr Magnesium!

 

Magnesium ist toll! Nutzt mehr Magnesium!

In diesem Beitrag möchte ich zu einem Rundumschlag ausholen. Ihr werdet sehen, dass es wirklich viele Indikationen gibt, für die es nützlich ist – bei recht geringer Gefahr einer Überdosierung.

Die typische Dosis in den allermeisten Indikationen sind 2g als Kurzinfusion über 15-20 Minuten (kann man sich gut merken). Dabei ist es im Prinzip nicht möglich überzudosieren. Also keine Panik. Okay: Die häufigste Ursache für eine Hypermagnesiämie und -toxizität ist eine iatrogene Überdosierung. Allerdings: Vor allem bei der Behandlung der Präeklampsie, bei der Patientinnen kontinuierlich Magnesium über Perfusoren zugeführt wird. Ansonsten ist es als Einmalgabe recht unproblematisch.

Zahlen, Daten, Fakten

Magnesium ist das vierthäufigste Kation im menschlichen Körper, und das zweithäufigste intrazellulär (nach Kalium). Normale Plasmaspiegel sind 0,7-1,0mmol/L; der therapeutische Bereich liegt bei 4,0-8,0mmol/L. Es wirkt als physiologischer intrazellulärer Kalzium-Antagonist: Beide Kationen sind zweifach-positiv geladen, dementsprechend konkurrieren sie teilweise um dieselben Rezeptoren.

Hohe extrazelluläre Spiegel führen zu einer gleichsinnigen Erhöhung der intrazellulären Konzentrationen. Dadurch wird der Kalzium-Einstrom in die Zelle gebremst (Therapieoption bei Hyperkalzämie!). Gleichzeitig hemmt es direkt durch Besetzung der -normalerweise dem Kalzium vorbehaltenen- Bindungsstellen am sarkoplasmatischen Retikulum die Freisetzung von intrazellulärem Kalzium im Myozyten – ein klassischer kompetitiver Antagonismus.

Physiologie, Wirkorte

Weitere physiologische Wirkorte sind die Synthese und Stabilisierung von ATP, der Mg2+-Block an NMDA-Rezeptoren (Gedächtnisbildung, Long Term Potentiation LTP), die Hemmung von Acetylcholin aus präsynaptischen Terminals und damit die Modulierung der Amplitude postsynaptischer Potentiale. Außerdem hemmt es die Freisetzung von Katecholaminen an synaptischen Terminals. Ebenso führt es durch diese antiadrenerge Wirkung zu einer Broncholyse.

Ihr seht schon, dass die potentiellen Angriffspunkte vielfältig sind. Aber wie können wir das jetzt für uns nutzen?

Indikationen für Magnesium: Präeklampsie und Torsade

Klassische Indikationen sind die Präeklampsie und die Torsade-de-Pointes Tachykardie. Aber eins nach dem anderen.

Bei der Präeklampsie kommt es im Rahmen der Pathophysiologie zu einer Hypomagnesiämie und damit erhöhter Krampfbereitschaft (Eklampsie als Vollbild), a.e. ausgelöst durch eine plazentare Perfusionsstörung. Die Muskeleigenreflexe sind ebenso gesteigert. Deshalb ist Magnesium das logische Mittel der Wahl („zu wenig da – heb‘ es halt an“).

Das empfohlene Regime ist: 4-6g Mg2+-Sulfat als Kurzinfusion oder Perfusor über 20min (sonst: Flush, Blutdruckabfälle), gefolgt von 1-2g / h als Erhaltungsdosis [1].

Die Torsade-de-Pointes Tachykardie

Bei der Torsade-des-Pointes liegt eine arrhythmische tachykarde Schmalkomplextachykardie vor (Spitzenumkehrtachykardie – z.B. hier: YOUTUBE). Diese ist – auch wenn man sie nur mal bei Youtube gesehen hat, eine typische Blickdiagnose. Durch die Senkung der Leitfähigkeit des Erregungsbildungs- und leitungssystems im Herzen kann recht effektiv eine Rhythmisierung erreicht werden[2].

In der Tat senkt Magnesium aber auch grundsätzlich die Herzfrequenz und hat eine stabilisierende Wirkung auch bei anderen tachykarden Rhythmusstörungen. Nur so als Tipp.

Bronchospastik und Tokolyse

Durch die relaxierende Wirkung an der Muskulatur (glatt- und Skelettmuskel) leitet sich eine weitere Indikation ab. Natürlich nicht als First-Line(!), aber bei Versagen der üblichen primären Therapie: Bronchospastik! Auch hier wieder die „Standarddosis“ 2g als Kurzinfusion. So einfach kann die Welt sein.

Dass Magnesium auch ein super Mittel zumindest für die Notfall-Tokolyse ist, hab ich hier schon mal beschrieben; auch wenn es als Langzeit-Tokolyse scheinbar nicht evident ist. Na gut, man kann nicht alles haben.

Nebenwirkungen: Vorhanden, aber selten; und selten fatal

Übrigens: Die Kurzinfusion sollte man aber in der Tat wählen. Bei Bolusinjektion wird dem Patienten erst ziemlich warm (periphere Vasodilatation), und dann schmiert der Blutdruck ab 😉

Eine gewissen abführende Wirkung ist vorhanden, aber natürlich ist das nicht wirklich bedrohlich.

Eher gefürchtet ist die Hemmung der Atem(hilfs)muskulatur; bei maximaler Überdosierung kann es zu einem peripheren Atemstillstand kommen. Das passiert aber nicht schlagartig. In der Literatur wird angegeben, dass man dazu einen Plasmalevel über 15mmol/L erreichen muss. Noch höhere Spiegel führen zu SA- und AV-Blöcken bis hin zum Kreislaufstillstand (>25mmol/L). Aber wie gesagt. Über eine Einmaldosis von 2g wird man das kaum erreichen.

Da man aber natürlich in die Homöostase des Patienten eingreift, muss man diese auch engmaschig kontrollieren. Das wird vermutlich sowieso der Fall sein, weil alle dargestellten Krankheitsbild-Indikationen per se überwachungspflichtig (IMC/ICU) sind. Dennoch der Disclaimer, ihr entschuldigt.

Zusammenfassung

Ihr seht: viele Indikationen, die immer mal wieder aufploppen. Die therapeutische Breite ist wirklich relativ breit (das ist gut!). Die Komplikationen sind potentiell fatal, deshalb sind die behandelten Patienten bei i.v.-Gabe überwachungspflichtig (vermutlich sowieso schon, wenn man über so einen Therapieversuch nachdenkt).

Ich hoffe, ich konnte euch darstellen, warum ich Magnesium supertoll finde. Nur Clonidin finde ich noch besser. Aber dazu vielleicht später in einem anderen Beitragetwas.

Habt ihr schon mal Magnesium verwendet? Oder seid ihr doch Jünger seines Antagonisten – dem Calcium 😉 ?Ich bin gespannt!

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

2 Kommentare

    • Franziska Nehls auf 20. Januar 2022 bei 06:23
    • Antworten

    Hallo, super Podcast und sehr angenehme erzählstimme und Technik! Hab den Podcast grade erst entdeckt und zu Magnesium reingehört .

    Eine Frage : wenn Magnesium bekanntermassen so ein potenter Antagonist vom calzium ist, ist es dann in einer blutungssituation eher nicht empfehlenswert, denn Calcium ist ja ein gerinnungs-Cofaktor . Darüber hab ich bisher nie nachgedacht .

    Liebe Grüsse von Franziska

  1. Danke für deinen Kommentar und die Blumen 🙂

    Zu deiner Frage hab ich kurz auch noch mal etwas recherchiert.

    Zunächst ist Magnesium ein _intrazellulärer_ Antagonist von Calcium, das kommt aus dem Artikel nicht so recht heraus, zugegeben. Ich hab das ein wenig angepasst.

    Natürlich ist Calcium für die Gerinnung wichtig, aber das macht es im Plasma (extrazellulär), wo es die Gerinnungskomplexe mit den Faktoren bildet. An der Stelle _sollte_ Mg eigentlich nicht als Antagonist wirken. Tatsächlich wurde das auch in Studien untersucht:

    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22519866/
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9198822/
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11323357/

    Ergebnis: Kein negativer Einfluss auf die Gerinnung, wenn man Magnesium verabreicht. Puh 😉

    In der Tat herrschen manchmal auch Mg- und Ca-Mangel gleichzeitig vor (es lohnt sich, das nachzuprüfen bei Verdacht)

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