Was ist eigentlich: NAVA?

 

Aufgrund einer Nachfrage auf Youtube beschäftige ich mich im aktuellen Artikel mit dem Neurally Adjusted Ventilation Assist, kurz NAVA.

Es handelt sich um einen Beatmungsmodus, der mit den Atemanstrengungen des Patienten synchronisiert wird. Das ist grundsätzlich immer sinnvoll aus einer Vielzahl von Gründen. Überdruckbeatmung über ein Airway Device ist potentiell immer schädlich für die Lunge und sollte so kurz wie möglich gehalten werden.

Traumata können betreffen:

  • Volutrauma: Tidalvolumina > 6-8ml/kg KG werden als schädlich angesehen durch eine zu starke Dehnung des Lungenparenchyms. Die Tendenz geht hier deshalb sogar zu 4-6ml/kg KG Tidalvolumen
  • Barotrauma: Zu hohe positive Drücke allgemein schädigen ebenfalls. Deshalb wollen wir nicht >30mbar Spitzendruck aufwenden
  • Atelektrauma: Periodisches Wiedereröffnen durch rezidivierend kollabierende Abschnitte im Rahmen des Atemzyklus
  • Oxytrauma: Zu hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen induzieren oxidativen Stress und einen fibrotischen Umbau (deshalb: <=50% O2 als Ziel)

Zur Reduktion der regelhaft auftretenden dorsal gelegenen Atelektasen (zur Verbesserung der Oxygenierung und Beatmungssituation) gibt es verschiedene Ansätze:

  • Regelmäßige Umlagerung von Rücken- in Bauchlage und umgekehrt
  • Blähmanöver (Rekrutierung) und:
  • Spontanisierung der Atmung des Patienten

Wie funktioniert: Physiologische Atmung?

Wir erinnern uns: physiologische Atmung läuft über den Aufbau eines Unterdrucks, der naturgemäß basal und dorsal (in Rückenlage) am stärksten ist. Das ist gerade dort, wo die fiesen Atelektasen liegen. Deshalb ist eine frühestmögliche Spontanisierung des Patienten im Weaning-Prozess sinnvoll. Auch übrigens natürlich, wegen des Trainings der Atemmuskulatur: diese atrophiert bereits 24-48 Stunden nach Beginn einer kontrollierten Beatmung.

Beschäftigen wir uns also mit Spontanatmungs-erlaubenden Modi!

Konventionelle Atemassistenzen werden über einen Flowtrigger ausgelöst. Dabei ist es mittlerweile egal, ob der zugrunde liegende Modus ein CPAP, VCV oder PCV ist: Hauptsache ein Trigger ist aktiviert. Bei dem Hersteller mit dem „D“ geht das in jedem Modus (und macht auch Sinn).

Wenn der Patient es schafft 2-3L/min Atemzug-Flussgeschwindigkeit zu erzeugen, springt die Maschine an und eine definierte Druckunterstützung in [mbar] wird verabreicht.

Das kann für bestimmte Patienten schon mal schwer sein, diesen Flow überhaupt zu erreichen, obwohl sie im Grunde einen Atemantrieb haben (gerade COPDler mit intrinsic-PEEP oder folgend Auto-PEEP als Folge entsprechender Einstellungen). Außerdem ist die Druckunterstützung immer dieselbe: nämlich die fest vom Benutzer eingestellte.

So funktioniert NAVA

Bei NAVA ist das anders: Entsprechend der Aktivität im Zwerchfell wird sowohl die Frequenz der Unterstützung, als auch die Menge an Unterstützung dynamisch angepasst.

Technisch gesehen wird eine spezielle Magensonde eingelegt, die eine Messelektrode hat und den unteren Ösophagussphinkter überspannt (also proximal beginnt und distal endet).

Diese Elektrode wird mit einem speziellen Modul am Beatmungsgerät verbunden, mit dem Interferenzen, elektrische Aktivität des Herzens und allgemeine Artefakte herausgefiltert werden. Das Ergebnis ist ein Elektromyogramm des Zwerchfells, oder wie es in der Nomenklatur der NAVA heißt: Die Elektrische Aktivität des Diaphragma, kurz Edi.

Es wird mit einem „NAVA-Level“ multipliziert, der einen Proportionaliätsfaktor für die Atemunterstützung darstellt. Er ist frei wählbar und kann titriert werden. Merke: Wir stellen keine absoluten Werte ein, nur eine Proportionalität.

Zusammenfassend gilt:

Paw [cmH2O] = Edi [µV] x NAVA-Level [cmH2O/µV]

Paw: Airway Pressure, Edi: Diaphragmaaktivität

Die Verarbeitung des Signals findet sehr schnell statt. Wir reden hier von 62,5 Mal pro Sekunde! Somit es ist möglich, selbst innerhalb einer Inspiration noch die Unterstützung dynamisch anzupassen. Schon ein bisschen beeindruckend.

Die Exspiration wird eingeleitet über das Öffnen des entsprechenden Ventils, wenn ein voreingestellter Prozentwert des Edi erreicht wurde. Der liegt zum Beispiel bei 70%. Danach fällt der Inspirationsdruck auf den eingestellten PEEP Wert zurück.

Voraussetzungen für die Durchführung einer NAVA:

  • funktionierendes Atemzentrum im Hirnstamm
  • korrekte Verschaltung von Hirnstamm zum Zwerchfell (Nervenbahn intakt)

Kontraindikationen:

  • Zwerchfellhernie
  • Nervenbahn beschädigt (Atemzentrum, N. phrenicus)

Ist NAVA jetzt wirklich so toll? Studien…

Jetzt aber die Gretchenfrage: NAVA klingt so toll und es ist auf jeden Fall ziemlich synchron mit den Atemanstrengungen des Patienten. Fehlende Unterstützung (failed respiratory effort) findet quasi nicht statt, verglichen mit konventionellen Maschinen. Aber bringt das auch einen klinisch messbaren Vorteil? Z.B. verkürzte Aufenthaltsdauern, Weaningzeiten, geringere Morbidität / Mortalität etc.?

Leider existieren immer noch sehr wenige Studien, die sich diesem Thema widmen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum es in der Breite noch nicht angekommen ist. Wenn ich ehrlich sein muss, habe ich noch nie so eine Maschine im Einsatz gesehen. Ihr vielleicht? Wie sind eure Erfahrungen?

In der Literatur findet man in den letzten Jahren vor allem Untersuchungen im pädiatrischen Intensivsetting (PICU). Erstaunlich, warum eigentlich nicht aus dem erwachsenen Setting? Mysteriös…

Zhu et al. fanden in einer kleinen Studien (n=21) keine Unterschiede in der konventionellen Unterstützung und NAVA hinsichtlich Gasaustausch und Hämodynamik[2].

Dafür fanden andere Studien aber kleine Hinweise auf gewisse Vorteile: Eine Analyse, die 3 Studien verglich (n=275), fand insgesamt eine schwache Evidenz für kürzere Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation, geringere Sedierungsbedarfe und eine höhere Erfolgsrate von Extubationen. Die Autoren sahen sich am Ende trotzdem nicht in der Lage, eine allgemeine Empfehlung für NAVA auszusprechen in Bezug auf medizinischen Nutzen und auch die Wirtschaftlichkeit[3] (neue Geräteanschaffungen etc.). Die Evidenzlage ist einfach immer noch viel zu schwach.

Zusammenfassung

Man könnte sagen: NAVA ist physiologisch-technisch gesehen äußerst interessant. Es verbessert auf jeden Fall die Synchronität zwischen Mensch und Maschine. Ob es aber tatsächlich das harte Outcome verbessert (Krankenhausaufenthalte, Weaningerfolg etc.), ist nach wie vor nicht eindeutig belegt. Es gibt lediglich schwache Hinweise auf mögliche Vorteile.

Das finde ich sehr erstaunlich, vor allem, wenn man bedenkt, dass das Verfahren im Grunde seit etwa 2007 zur Verfügung steht.

 

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Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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