Der letzte Beitrag zu Krokodilen handelte von der speziellen Unterart des Intensiv-Krokodils und drehte sich im Grunde um CRM und Resilienz. Dennoch gilt wie immer:
- Sei ein Krokodil! (Aber nicht die Kollegen beißen!)
- Und auch: Sei ein Ultraschall-Ninja!
Wie dem auch sei, ich schweife ab.
Heute wollen wir uns den Krokodilen widmen (diesmal den echten), deren (Angriffs-)Verhalten und der Versorgung von entsprechenden Wunden und so weiter.
Zur Gruppe der Crocodylia gehören die echten Krokodile, Crocodylidae, und die Alligatoren und Kaimane, Alligatoridae. Außerdem die Gavialidae oder Gaviale, deren einzig lebender Vertreter heute der in Nepal und Nordindien lebende Gangesgavial ist.
Krokodile sind gefürchtet
Krokodile sind gefürchtet, und das nicht zu Unrecht. Sie sind recht tödlich, wenn sie angreifen, und in über zwei Drittel der Fälle sind diese Angriffe auch noch unprovoziert passiert. Ich meine, wenn man versucht, irgendwelche Kunststücke mit einem Krokodil abzuziehen (wie auf irgendwelchen amerikanischen Ranches), muss man sich nicht wundern, dass etwas passieren kann. Aber zum Beispiel in Entwicklungsländern sind Krokodilattacken auch eine führende Todesursache, weil der Mensch sich dort immer weiter ausbreitet.
Echte Krokodile haben funktionelle Salzdrüsen zur Osmoregulation auf der Zunge und der vierte Zahn unten ist von außen sichtbar, weil der Unterkiefer kleiner als der Oberkiefer ist. Alligatoren zeigen ihre Zähne hingegen erst, wenn sie zubeißen (haha), und haben keine Salzdrüsen auf der Zunge.
Alle Vertreter sind wechselwarme Tiere (poikolotherm). Das heißt (die Biologie-Mittelstufe lässt grüßen), dass sie bei niedrigen Temperaturen eine geringe Aktivität haben und aktiv bei höheren Temperaturen werden. Die meisten Angriffe passieren dann auch, wenn es wärmer ist: Am frühen und späten Nachmittag. Schön, wenn Dinge so logisch miteinander zusammen hängen.
Grundsätzlich leben sie an den Ufern von Flüssen und Seen, aber können auch bis zu 1 Stunde unter Wasser verharren. Wenn sie sich anpirschen, schauen bloß Augen und Nüstern aus dem Wasser. Sie sind damit schwer auszumachen – im Zweifel zu spät für ihre Opfer.
Es geht ans Eingemachte: Attacke!
Sie besitzen 28-32 Zähne im Unterkiefer und 30-40 Zähne im Oberkiefer, die konisch zulaufen. Damit lässt sich Beute hervorragend packen und festhalten, jedoch nicht zerkauen. Beute wird deshalb entweder direkt „am Stück“ geschluckt, oder in kleinere Stücke gerissen, bevor sie geschluckt wird.
Typischerweise packt sich ein Krokodil seine Beute und reißt es ins Wasser. Durch die enorme Bisskraft (bis zu 1,1t)[3] können schon Muskeln und Sehnen, aber auch Knochen zerstört werden. Der Tod tritt aber häufig durch Ertränken ein.
Zur Zerkleinerung führt das Krokodil ruckartig Rollen im Wasser aus. Die Opfer sind deshalb häufig regelrecht zerfetzt. Es wird in der Literatur auch als „Todesrolle“ bezeichnet. Sehr brutal. Aber hey: Natur J !
Die Muskeln zum Schließen des Kiefers sind äußerst stark, aber nicht diejenigen zum Öffnen. Deshalb kann ein Mensch durchaus das Maul eines Krokodils mit zwei Händen geschlossen halten (wie in einschlägigen Sendungen immer wieder gezeigt).
Übrigens ist nicht der M. masseter, derjenige, der bei Krokodilen den starken Kieferschluss verursacht (wie in manchen Anatomie-Büchern des Menschen behauptet), sondern der M. pterygoideus ventralis. Der verleiht dem Krokodil auch den kräftigen Nacken.
Der Angriff besteht häufig aus einem einzigen Biss, den das Krokodil aber zunächst nicht mehr loslässt. Es folgt der Versuch, das Opfer unter Wasser zu ziehen zum Ertränken. Diese Angriffe finden häufig im tieferen Wasser >1m Wassertiefe und in maximal 1 Meter Entfernung zur Küstenlinie statt.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
Sicherheitshinweise im Sinne von Prävention (nicht gebissen werden!)
- Vorsichtig verhalten in bekannten Habitaten
- Vorsicht bzgl. Kindern und Haustieren
- Kein Nachtschwimmen, nur schwimmen in ausgewiesenen Bereichen
- Nahrungsmittelreste sorgfältig entsorgen
- Nicht füttern! Nicht als Haustier nehmen!
- Beobachten oder fotografieren nur aus sicherer Entfernung
Aber was ist eine sichere Entfernung? Zur Erinnerung: Ein Krokodil erreicht im Wasser bis zu 32km/h, und an Land immer noch 17km/h. Das kann schon mal schnell näher kommen! Also lieber mehr Abstand halten als zu wenig.
Wenn es jetzt aber doch dummerweise passiert ist, muss man bedacht reagieren. So, wie das halt geht, wenn einem auf einmal ein Krokodil am Bein hängt. Die meisten Bisse sind nicht-tödlich. Was aber tödlich ist, ist das Wasser. Das bedeutet, dass man dringend vom Wasser wegkommen sollte.
Schläge auf Augen und Nüstern können eventuell den Biss lockern. Im Inneren des Mauls gibt es ein gaumennahes Ventil, das man ebenfalls attackieren kann. Aggression ist an dieser Stelle der Schlüssel zum Überleben. Totzustellen ist im Grund keine echte Option und sollte erst erwogen werden, wenn alle anderen Maßnahmen scheitern.
So schnell abhauen, wie es eben geht, und dann in die Klinik (wenn es geht)
Jedenfalls: Sobald man die Möglichkeit hat, sollte man so schnell und so viel Distanz zwischen sich und das Wasser bringen, wie irgend möglich.
Laute Geräusche machen und um Hilfe rufe sind ebenfalls sinnvoll. Eventuell kann ein Zweiter das Krokodil attackieren, und damit für eine Lockerung des Bisses sorgen.
Die Behandlung ist im Grunde erst mal wie üblich im Trauma nach cABCDE Schema vorzunehmen. Das kennen und können wir.
Die Wundbehandlung sollte so früh wie möglich begonnen werden. Zunächst mit Spülung durch sterile Flüssigkeiten und Desinfektionslösungen. Chirurgisches Debridément und Wundtoilette sind führend. Allerdings können durch den Alligatorbiss auch unterliegende Schichten beschädigt sein im Sinne von Frakturen bis hin zu Organschäden, die nicht sofort offensichtlich sind; auch wenn ein zerfetzter Arm z.B. sehr spektakulär aussieht. Das heißt: Röntgen oder im Zweifel auch CT.
Auch Infektionen sind ein relevantes Problem
Die Infektiologie ist nicht zu vernachlässigen. Der Tetanusschutz sollte geprüft und eine –Prophylaxe verabreicht werden. Außerdem sollte empirisch mit einer Antibiotikatherapie begonnen werden. Der am häufigsten aus Krokodilmäulern nachgewiesene Keim ist übrigens Aeromonas hydrophila. Aber auch Vibrio spp. und weitere aquatische Keime sind dort zu finden.
Empfohlen werden
- Fluorochinolone, wie z.B.Ciprofloxaxin, 400mg i.v. 1-0-1 oder 500mg p.o. 1-0-1, alternativ
- Drittgenerations-Cephalosporine wie Ceftriaxon, 1g i.v. 1-0-0
- Erwachsene mit Allergien können auch Sulfamethoxazol-Trimethoprim erhalten: 8-10mg/kg/Tag allle 6-12 Stunden (i.v.), ider 160/800mg p.o. 1-0-1
- Carbapeneme sind veritable Ausweichsubstanzen
Dazu muss aber gesagt werden, dass es zu dem Thema leider keine valide Evidenz gibt. Die Empfehlungen leiten sich vom nachgewiesenen Keimspektrum im Krokodilmäulern ab. Und da sind die untersuchten Fallzahlen, sicher aufgrund der schwierigen Untersuchungsbedingungen, sehr gering (43 amerikanische Krokodile und 28 Morelet-Krokodile)[4].
Die Wundbehandlung sollte aufgrund der starken Verunreinigung zunächst für bis zu 5 Tage offen und erst dann ein sekundärer Verschluss ausgeführt werden.
Links:
- [1]Auerbach’s Wilderness Medicine
- [2]An Alligator Bite, Sartain S et al., Clin Pediatr 2008
- [3] Caldicott DG, Croser D, Manolis C, et al. Crocodile attack in Australia: An analysis of its incidence and review of the pathology and management of crocodilian attacks in general. Wilderness Environ Med. 2005;16:143.
- [4] Flandry F, Lisecki EJ, Dominique GJ, et al. Initial antibiotic therapy for alligator bites: Characterization of the oral flora of Alligator mississippiensis. South Med J. 1989;82:262.
Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.