Folgende Situation ist mir vor kurzer Zeit als Notarzt passiert. Nachforderung vom RTW. Der mitt-60jährige Patient war schon im Wagen und bei Eintreffen der Mannschaft schon tachykard, aber die Frequenz von 160/min blieb hoch und der Druck sank kontinuierlich ab. Bei mir dann ein Druck von 80/40mmHg.
Die häufigste Ursache für Tachykardien ist nun mal ein Vorhofflimmern, gerade auch in so einer Frequenz. Aber tatsächlich handelte es sich um eine rhythmische Schmalkomplextachykardie, die hämodynamisch relevant, ergo „instabil“ war.
Kardioversion bei instabilem Rhythmus ist das Mittel der Wahl
Außer der Elektrokardioversion gibt es in so einer Situation im Prinzip nicht viel Spielraum. Also klebten wir die Pads, zogen die Medikamente auf und machten uns bereit. Als Kurznarkose wählte ich Fentanyl und Propofol. Allerdings kamen wir gar nicht so weit.
Während der ganzen Vorbereitungen stand ich auf der linken Seite des Patienten, einfach weil ich gerade durch die Seitentür den RTW betreten hatte. Einfach pro forma probierte ich die Carotisdruckmassage aus, und…
Asystolie, zwei Monitorlängen!
Der Patient schnappte zwei mal kurz. Die Mannschaft erstarrte. Und in dem Moment, in dem der Erste ansetzen wollte zu reanimieren, kam ein Komplex zurück. Dann ein zweiter. Und dann war der Patient kardiovertiert. Und das bloß durch Massage an der Carotis. Verrückt. Kann also keiner sagen, dass das nicht funktioniert (meistens tut es das meiner Erfahrung nach aber tatsächlich nicht). Naja, und im ERC-Algorithmus für Tachykardie befinden wir uns ja auch.
Carotisdruck ist ein probates Mittel zur Therapie der AVRT
Wie ich später im Arztbrief herausfand, war bei dem Patienten eine AVRT schon bekannt, also eine AV-Knoten-Reentry-Tachykardie. Bei dieser Art von Tachykardie ist die Carotisdruckmassage ein probates Mittel zur Unterbrechung (wie ich am eigenen Leib erfahren durfte). Mit hinein gespielt hat aber sicher auch meine Position am Patienten.
Anatomisch innerviert der rechte N. vagus vor allem den Sinusknoten und der linke den AV-Knoten! Es hätte also gut sein können, dass eine Carotismassage auf der rechten Seite keinen so durchschlagenden Effekt gehabt hätte. Dann wäre nur noch die Kardioversion übrig geblieben.
Jedenfalls mussten wir danach erst mal beim Restaurant zu den zwei goldenen Bögen einkehren auf diesen Schrecken…
Quellen:
- http://www.erc.edu
- https://cprguidelines.eu/ (z.B. in Kapitel 1)
Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.
2 Kommentare
Werde ich das nächste mal links probieren. Danke für den Artikel 🙂
Danke für den interessanten Abstract. Was mih verwundert: Obwohl die Carotis Massage zum Grundwissen eines jeden Internisten gehören sollte, gibt es keine allgemeingültige und strukturierte Anleitung zur Art der Durchführung und Anwendung.
LG, Dr. med. Kohler, Aarau