Köpfchen unter Wasser, …: der Taucherreflex

 

Im letzten Beitrag haben wir uns um Kaltwasserunfälle, speziell mit Kopf über dem Wasser, gekümmert. Allein durch den Wasserdruck, die Position und den Temperaturverlust werden einige (Patho)physiologische Vorgänge in Bewegung gesetzt. Daraus kann die 1-10-1 Regel und die HELP-Position abgeleitet werden.

Wir müssen zunächst zwei Begriffe klären:

  • Immersion bedeutet, den Körper in ein wässriges Medium zu geben
  • Submersion bedeutet, dass Gesicht und Atemwege mit wässrigem Medium bedeckt sind. Es reicht aus, bäuchlings auf der Wasseroberfläche zu treiben!

Heute kümmern wir uns um die Prozesse, die bei Submersion passieren. Das erste, was einem in den Sinn kommt, ist das Ertrinken (natürlich). Wasser ist ein feindliches Medium, in dem wir nicht überleben können ohne Hilfsmittel (Stichwort: Gerätetaucher). Aber tatsächlich können arrhythmogene Effekte bereits ausgelöst werden, wenn bloß das Gesicht in eine Schüssel voll Eiswasser gehalten wird (s. Video anbei), durch eine, wie könnte es anders sein, vagale Aktivierung.

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Kaltwasserunfälle – Physiologie und Überlebensstrategien

 

Das Eintauchen eines menschlichen Körpers in Wasser ist mit einer Reihe von physiologischen Reaktionen darauf verbunden. Es ist egal, ob es sich dabei um einen Unfall auf hoher See oder im Schwimmbad handelt.

Begriffe: Immersion ist das Eintauchen des Körpers in Wasser, Submersion das Untertauchen des Kopfes (und dabei ist es sogar egal, ob der Körper auch im Wasser steckt, oder noch trocken ist).

Die größte Gefahr, die landläufig für die Immersion angenommen wird, ist die Hypothermie mit folgender Bradykardie, Kammerflimmern und Arrest. Aber tatsächlich muss man überhaupt erst mal lang genug überleben, um das noch zu erleben. Die Wichtigkeit der Hypothermie als Todesursache von Wasserunfällen wird von Profis deutlich überschätzt: 72% der Befragten in einer Studie von Giesbrecht et al. [1] dachten, dass eine Person in Winterkleidung, die in kaltes Wasser fällt, innerhalb von 10 Minuten an Hypothermie verstirbt. Tatsächlich kann auch so jemand – Schwimmweste oder andere Schwimmhilfen vorausgesetzt (Personal flotation devices) durchaus bis zu einer Stunde überleben! Das folgt im Artikel weiter unten.

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Journal Club im April

 

Heute werden wir einen größeren Rundumschlag in Form eines – nicht ganz gewöhnlichen – Journal Club vollziehen. Ich werde euch ein paar Publikationen präsentieren, die sicherlich lesenswert sind. Ob sie eure klinische Praxis verändern werden – ich bezweifle es irgendwie, aber schreibt mir gerne was dazu in die Kommentare.

Wenn ihr mir bestimmte Inhalte hier eventuell nicht glaubt, möchte ich auf die Linkliste am Ende verweisen: Sämtliche Veröffentlichungen sind nachlesbar!

Hirnschäden bei Asterix?

Beginnen möchte ich mit einer Publikation der Uniklinik Düsseldorf, genauer gesagt der Abteilung für Neurochirurgie. Es geht um traumatische Hirnschäden (Traumatic brain injuries), und deren Verteilung und Häufigkeit bei Begegnungen zwischen Galliern und anderen Völkern, betrachtet über den Verlauf sämtlicher bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Asterix-Bände: Traumatic brain injuries in illustated literature: experience from a series of over 700 head injuries in the Asterix comic books[1] von Kamp MA et al.

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Schwing die Knochen: Intraossäre Zugänge

 

In der Tradition, auf diesem Blog Zugänge zu einem Patienten für die Gabe von Medikamenten zu illustrieren (z.B. V. saphena-magna mit Sono), soll es heute um die intraossäre Route gehen.

Gerade in einer Zeit, wo fast überall Ultraschall zur Verfügung steht, sind echte Notfallzugänge eher selten geworden. Wenn ich die Wahl habe, entweder eine orange Viggo in die V. jugularis interna mit Schall zu legen, oder eine Kanüle in den Knochen zu bohren (äquivalente Flussrate wie eine rosa Viggo), werde ich die den Standardzugang „Hals“ wählen.

Nur um das von vornherein klarzustellen: Wir reden hier von lebensbedrohlichen, man könnte sagen: Notfallsituationen, in denen in vernünftiger Zeit kein ordinärer periphervenöser Zugang etabliert werden kann.

Gründe für eine schwere Viggo-Anlage können bekanntlich u.a. sein:

  • „schlechter Venenstatus“ (was auch immer das heißen mag und dann ist es auch noch anwenderabhängig…)
  • schlechte äußere Bedingungen (Licht, Wind und Wetter)
  • Kälte (sehr konstringierte Venen)
  • atypische Haut: sehr dick, Venen schwer zu tasten
  • fehlender Kreislauf (inkl. Reanimation)

(Im Übrigen bin ich dafür, den Begriff „Rollvenen“ abzuschaffen. Die Venen stehen bei „solchen“ Patienten halt unter Druck wie ein Gartenschlauch, sodass man sie gut fixieren und mit Kraft die Venenwand punktieren muss. Meist betrifft das ja sogar Patienten, bei denen man eine gute Punktierbarkeit erwarten würde, weil die Venen so riesig sind. Nun sind Venen im Subkutangewebe locker eingebettet und können sich dort etwas bewegen. Das „Rollen“ bedeutet im Grunde, dass der Punkteur es leider nicht geschafft hat, die Venen „festzuhalten“. Wenn man nun von „Rollvenen“ spricht, verlagert man sein eigenen Unvermögen auf den Patienten, der dafür nun mal überhaupt nichts kann. Just my two cents…)

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Bier-Block – Prost! (i.v.-Regionale)

 

Das klingt so falsch: „Bier“-Block. Wie eine durchzechte Nach in der Altstadt und den Kater am folgenden Morgen.

Aber ich muss leider enttäuschen, so langweilig das auch ist. Heute geht es nicht um Ausschweifungen an Karneval mit ordentlich Alkohol, sondern um die intravenöse Regionalanästhesie, die ihren Eigennamen, „Bier-Block“ vom deutschen Forstmann August Bier, geb. 24.11.1861, erhalten hat. Chirurg war er auch, aber das mit den Bäumen fand ich erwähnenswert.

Es geht um eine Sache, die man in der modernen Medizin im Grunde nicht machen sollte, wenn man viele Kollegen fragt: Lokalanästhestikum intravenös zu injizieren.

Aber warum sollte man das tun? Wir haben Vollnarkosen, wir haben periphere Regionalanästhesien mittels Neurostimulator und Ultraschall – warum sollte man das Lokalanästhetikum i.v. geben?

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Cheyne-Stokes Atmung bei Herzinsuffizienz

 

Für Kollegen, die auf einer kardiologischen Intensivstation arbeiten, wird dieser Beitrag vermutlich nicht so viel neues bieten (ich hoffe natürlich trotzdem drauf). Alle anderen könnten überrascht werden, so wie es mir auch passiert ist.

Wir hatten einen relativ jungen Patienten mit einer relativ schlechten Ejektionsfraktion in der Nacht aufgenommen. Wir reden hier < 20% Auswurfleistung. Soweit war er auf niedrigem Niveau stabil, wenn nicht—

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Anästhesie bei Porphyrie

 

In der Tradition meiner Beiträge zu seltenen Erkrankungen und deren Implikationen für Anästhesien (G6-P-DH-Mangel, Sichelzellkrankheit, Myasthenia gravis), dreht es sich heute um die Porphyrien. Es soll zunächst ein Überblick über die Arten und deren Diagnostik verschafft (z.B. im Intensivstations-Setting interessant) und dann die Narkoseführung diskutiert werden.

Porphyrine sind wichtige Grundbausteine von Enzymen und Strukturen im menschlichen Körper. Woran man nach dem Medizinstudium zuallererst denkt, sind diejenigen Porphyrine, die in der Erythropoise vorkommen. Natürlich ist die Bildung von Hämoglobin wichtig, aber Porphyrine sind ebenso zu finden in Cytochrom-Oxidasen, NO-Synthasen, Cyclooxygenasen, Peroxidasen und Katalasen. Sie sind ubiquitär wichtig für eine ordnungsgemäße Zellfunktion. Diese findet zu 20% in der Leber (ALAS1 – 5-Aminolävulinsäure-Synthase 1) und 80% im Knochenmark statt (ALAS2).

Chemisch gesehen bestehen sie aus vier Pyrrol-Ringen (einem Tetrapyrrol), die durch vier Methingruppen zyklisch miteinander verbunden sind. Der einfachste Vertreter ist das Porphin (Wikipedia).

Sie fluoreszieren rot, wenn sie einer Wellenlänge von 366nm ausgesetzt werden (wunderschön).

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„Happy Hypoxia“ – Lachend in den Abgrund

 

Während der Covid-Pandemie ist es uns Primärversorgern sicher allen schon passiert. Aufnahme eines Patienten auf die Intensivstation, wegen „schlechten pO2“s. Patient wird vorgefahren, und es geht ihm subjektiv super. „Haben Sie Luftnot?“ – „Nö.“, und daddelt mit dem Handy.

Klinisch einzig zu sehen ist eine deutlich erhöhte Atemfrequenz mit 20-30/min, ansonsten nichts. Sobald aber das Pulsoxymeter angeschraubt wird, folgt der Schreck: Sauerstoffsättigungen jenseits von Gut und Böse, durchaus auch im Bereich bis 50%, und der Patient merkt davon nichts. Dasselbe Spiel bei der ersten Blutgasanalyse: pO2-Werte unter 60mmHg waren keine Seltenheit.

Völlig verrückt. Eigentlich sollte so etwas doch massive Luftnot verursachen?

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