Zusatzbezeichnung Notfallmedizin – bald in NRW

Update 20.01.2020: Der Notarztmangel hat sich zumindest in unserer Klinik nicht so recht spürbar manifestiert. Aber in der Tat fahren aktuell vor allem noch Oberärzte. Die Weiterbildungsassistenten sind schon selten geworden, die über die entsprechende Befähigung verfügen. Wie sind eure Erfahrungen?

Hinzugekommen sind heute auch Buchrezensionen für die Vorbereitung auf die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, wenn euch das interessiert und ihr deshalb hier seid.

Mit 01.01.2019 soll nur noch die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin in Nordrhein-Westfalen durch die Ärztekammer erteilt und die Fachkunde Rettungsdienst abgeschafft werden.

Bisher gab es zwei Wege, um Notarzt zu werden. Der Fachkundenachweis konnte nach 10 lebensrettenden Einsätzen und ein paar anderen, relativ leicht zu erreichenden Kennzahlen, beantragt werden – und gegen Entrichtung einer Gebühr wurde man Notarzt. Ohne Prüfung! Das muss man sich mal vorstellen! Insofern ist es äußerst sinnvoll, das abzuschaffen. Zum einen tut man damit den Empfehlungen der Bundesärztekammer genüge, und zum anderen erhöht man hoffentlich die Qualität der eingesetzten Notärzte.

Die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin muss mit einer Prüfung abgeschlossen werden

Die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin muss vor allem mit einer Prüfung abgeschlossen werden. Ansonsten wird für viele Kompetenzen nur noch verlangt, dass man sie beherrschen muss, egal wieviele man nachweisen könnte. Das ist alles gut und sinnvoll.

Es können sich aber auch Probleme daraus ergeben. Aspiranten können die Prüfung meiden oder sogar durchfallen (was jetzt an sich nicht schlimm ist, wenn man den Qualitätsaspekt im Kopf hat). Es könnte passieren, dass nicht so viele Kollegen „nachkommen“. Wer fährt denn überproportional häufig Notarzt? Meist sind es die jungen Kollegen in Weiterbildung, die einen Großteil der Dienste abdecken.

Im Kammerbezirk Rheinland-Pfalz gab es vor gar nicht so langer Zeit dieselbe Bestrebung, aber nach kurzer Phase wurde zurückgerudert, weil es offensichtlich Probleme gab (auf die nie jemand öffentlich näher eingegangen wäre).

Interessant an dieser Stelle ist auch die Tatsache, dass die Notarztbezogenenn Fortbildungen zwar gefordert werden, aber nicht von der Ärztekammer als solche ausgewiesen werden (z.B. Kategorie „N“ oder so 😉 ), und der erste Nachweiszeitraum verstrich ohne Konsequenzen. Stattdessen wurde die Frist zwei Jahre nach hinten verschoben. Scheinbar gibt es eine ganze Reihe von Kollegen, die nicht nachgewiesen hatten. Es wurde aber nicht durchgegriffen, sondern stattdessen gab die Ärztekammer nach.

Abwarten, und Tee trinken

Spannend ist es auf jeden Fall, was da im Moment passiert, und wir müssen mal schauen, wohin uns das bringt. Die Notärzte werden sicher nicht aussterben. Ob die Fachkunde im bevölkerungsreichen Bundesland NRW abgeschafft bleibt, oder die Nachfrage das Angebot einholen wird? Oder vielleicht wird sie doch wieder eingeführt…? Wer weiß?

Siehe auch folgende Beiträge (ähnlich spannende Entwicklungen)

 

Links:

 

Etomidat – Gift in der Anästhesie?

Etomidat
Strukturformel von Etomidat, Quelle: Wikipedia

Das gute alte Etomidat.

Zunächst ein paar pharmakologische Eckpfeiler. Es ist in einer Soja-Fettemulsion gelöst, der pH Wert ist 7,0. Es ist ein Imidazolderivat (wie Clonidin) und ein Razemat, bestehend aus R- und S-Etomidat, wobei nur das R-(+)-Enantiomer wirksam ist. Die Plasmabindungsrate, vor allem an Albumin beträgt 80%. Laut der Free Drug Hypothese ist nur ungebundenes Pharmakon wirksam. Der Abbau findet ausschließlich hepatisch statt durch Esterhydrolyse und N-Desalkylierung; es werden nur unwirksame Metabolite produziert.

Soja ist in Propofol und Etomidat

Interessant sind mehrere Dinge. Zum einen die Sojaemulsion: Es ist genau wie Propofol auch gelöst – jedoch steht im Beipackzettel nichts von einer Kontraindikation „Sojaallergie“. Verrückt – wie kann das sein? Wobei das mit Propofol und der Sojaallergie sowieso eine viel kompliziertere (und in der Praxis unaufgeregtere) Sache ist, als man aus den Büchern meinen könnte, aber das führt ein wenig weit.

Etomidat führt vor allem zu einer telenzephalen Suppression, vermutlich wie alle Hypnotika vor allem über die Aktivierung von GABAergen inhibitorischen Rezeptoren (GABAa: ionotrope Chlorid-Kanäle; keine Wirkung an den metabotropen GABAb-Rezeptoren).

Die Einleitungsdosis beträgt laut Fachinformation 0,2-0,3mg/kg KG, also quasi wie eine entsprechende Propofoldosis geteilt durch 10 – als Eselsbrücke vielleicht leichter zu merken. Während der Patient einschläft kann es typischerweise zu enthemmend getriggertern Muskelfaszikulationen kommen, ohne dass dem Krampfpotentiale im EEG entsprechen. Das ist übrigend bei Propofol auch möglich, jedoch deutlich seltener. Es wird vor allem auf die anfangs ungleichmäßige Inhibition von Neuronen geschoben, sodass bestimmte Bereiche erst enthemmt werden (und zu Faszikulationen führen), bevor sie auch gehemmt werden.

Etomidat ist relativ kreislaufstabil

Der große Vorteil von Etomidat ist seine relative Kreislaufstabilität. Relativ deshalb, weil es selbst auch zu einer Kreislaufdepression führt, jedoch deutlich geringer ausgeprägt als bei den anderen Einleitungshypnotika. Aus diesem Grunde wurde es eine ganze Weile als Einleitungsmedikament der ersten Wahl gebraucht. Stabile Narkosen sind schließlich immer ein Ziel der Anästhesie. Je stabiler der Verlauf des Blutdrucks ist, desto weniger Komplikationen sind nachher zu befürchten. Das betrifft vor allem die kardiale und cerebrale Perfusion aber natürlich auch die Nieren und die Peripherie. Schlaganfall und Herzinfarkt sind harte Endpunkte, die man auf jeden Fall vermeiden möchte.

Der Grund, warum das Mittel aber dann aus der Praxis fast verschwunden ist, ist die gefürchtete Nebennierensuppression. Diese geschieht ohne Zweifel: Etomidat hemmt direkt die 18a-Hydroxylase, sowie die 11b-Hydroxylase. Dadurch kommt es zu einem Medikamenten-induzierten Cortisolmangel, der sich prognostisch schlecht auf das Patientenoutcome auswirken kann. Die Konsequenz aus der Praxis ist, das Mittel einfach gar nicht mehr zu verwenden.

Auch heute können Patienten von Etomidat profitieren

Persönlich bin ich aber der Meinung, dass bestimmte Patientengruppen sicherlich auch heute noch von solch einer Narkoseeinleitung profitieren. Gerade Patienten mit schlechten Gefäßen, schlecht eingestelltem Hypertonus, höhergradig eingeschränkter Durchblutung am Myokard und der Pumpfunktion profitieren exorbitant von einem stabilen Blutdruck. Jede Schwankung nach oben wie auch nach unten kann zu einer Dekompensation führen.

Es gibt natürlich immer mehrere Wege um ans Ziel zu kommen. Man könnte zum Beispiel vorsichtig Propofol mit kleinen Boli titrieren, bis der Patient schläft, und viel Opiat zum Abschirmen geben. Genauso gut kann man aber auch Etomidat geben – denn der Patient wird nicht wegen einer achtstündigen NNR-Suppression kardiale Komplikationen entwickeln, sondern wegen einer Minderperfusion des Myokards Ischämien entwickeln und entsprechend sein Mortalitätsrisiko erhöhen.

Bei Notfallpatienten sehe ich die ganze Sache noch ein wenig entspannter. Gerade im Notfall hat man sowieso Probleme, den Blutdruk im Rahmen einer Notfallnarkose gut zu steuern – verglichen mit den gechützten Bedingungen im OP. Da kommt mir so ein Mittel doch gerade recht.

Bitte nicht falsch verstehen – Etomidat sollte man wegen der bekannten NNR-Suppression nicht mit der Gießkanne verteilen. Aber ich bin der Überzeugung, dass das Mittel zu Unrecht kategorisch verteufelt wird. Unter bestimmten Bedingungen gibt es Patientengruppen, die davon profitieren können. Außerdem gehört in die Ausbildung von Anästhesisten wohl mehr als nur ein Einleitungshypnotikum (das wär wohl heutzutage Propofol).

Links:

Anae-Doc Cast 02: Akutes Nierenversagen

https://www.youtube.com/watch?v=v5zZbQOCub0

Zum Download und bald auch für mehr Podcasts, hier hin gehen: http://anae-doc.de/podcasts

Geisterstunde

Im 24 Stunden Dienst im Krankenhaus, kurz nach Mitternacht, geht der Funk für den Herzalarm. Einsatzstichwort: „Pforte“. Mit Vollgas durch das Treppenhaus und rein ins Foyer. Das Bild, was sich darstellte, hätte auch aus eine typischen Hollywood-Horror-Film stammen können: Ein Mann liegt auf dem Bauch in einer großen dunkelroten Blutlache im Eingangsbereich des Krankenhauses, direkt hinter den Schiebetüren. Er hat es gerade noch so über die Schwelle zu uns geschafft.

Treffen sich ein Internist und ein Chirurg

Dann treffen die anderen Alarmierten ein: Diensthabender Internist und Chirurg, sowie Ambulanz- und Intensivschwester.
„Wo kommt das ganze Blut her?“

Offensichtlich war nichts auszumachen. Der mitt-dreißigjährige Mann trug nur ein Hemd und eine Unterhose, aber ansonsten nichts. Keine Schuhe, keine Hose. Die Beine sind blutig, und er liegt in einer großen Blutlache.

Blutdruck und Puls sind stabil und der Mann ist kontaktibel. Trotzdem wird der Patient mit Viggos gespickt (grün, orange, alles mögliche). Dann wird er auf die Trauma-Liege verfrachtet (weil die einen Gummi-Bezug hat und Kein Bettlaken, was nachher völlig versaut wäre).

Alle Akteure fahren auf die Intensivstation zur weiteren Untersuchung. Eine große oder dramatische Blutungsquelle war nicht auszumachen. Lediglich ein Loch im Bereich der Gesäßmuskulatur, das etwa 0,5-1cm im Durchmesser ausmachte. Der Chirurg steckte seinen Finger zur Sondierung hinein und meinte dann nur noch: „An meiner Fingerspitze fühle ich was“. Da war der Finger aber bis zum Anschlag in der Pomuskulatur verschwunden.

Unfall während des Deutschland-Spiels

Der Patient gab auch etwas Auskunft. Das Deutschland-Spiel an diesem Abend habe er auf dem Balkon geschaut, und wollte sich etwas aus der Küche holen. Das Antennenkabel für den Fernseher hatte er aber quer durch die Wohnung gespannt. Es kam, was kommen musste: Er stolperte über das Kabel und stürzte in den gläsernen Wohnzimmertisch. Da das dann schon ordentlich geblutet habe, dachte er sich, dass er doch mal ins Krankenhaus gehen sollte damit. Warum sollte man auch einen Krankenwagen rufen, wenn man nur fünf Gehminuten entfernt wohnt? So machte er sich also auf den Weg, in der Dunkelheit, mit blutüberströmten Beinen und Gesäß, nur in Unterhose und Hemd, zum Krankenhaus. Um Mitternacht.

Na gut. Also ab ins Röntgen. Es zeigte sich ein großes keilförmiges „Stück“, das tief in seiner Pobacke steckte. Operation! Hinzuziehen des Oberarztes.

Umlagerung auf die OP-Trage, Einleitung der Narkose, Drehung in Bauchlage, um überhaupt an die Stelle heran zu kommen. Der Unfallchirurg hatte eine winzige Öffnung, durch die er letztendlich eine keilförmige Glasscherbe mit den ungefähren Maßen 3cm x 12cm entfernte! Dass das Ding dem armen Kerl nicht in sein kleines Becken vorgedrungen war, war auch alles. Es wurde dann noch etwas koaguliert und dann war die OP fertig.

Ausleitung der Narkose. Drehung zurück in Rückenlage. Überlagerung in das Patientenbett in der Schleuse. In diesem Moment rann dem Patienten, trotz eingebrachter Tamponade!, das Blut zwischen den Beinen hervor. Offensichtlich war die Blutstillung nicht erfolgreich gewesen und ein oder zwei große Gefäße immer noch offen nach dem Glasscherben-Trauma.

Alles wieder auf Anfang

Also wieder zurück auf die OP-Trage, Narkoseeinleitung, Drehung auf den Bauch. Nun kam noch der diensthabende allgemeinchirurgische Oberarzt hinzu. Und diesmal wurde alles gut.

Als der Patient nun wieder in seinem Bett lag, blutete es nicht mehr. Allerdings hatte irgendjemand das Muskelrelaxans, das mit auf meinem Tablett lag, gespritzt, und das wirkte immer noch (Atracurium). Deshalb musste ich den Patienten, beatmet mit Beatmungsbeutel, auf die Intensivstation fahren, und konnte ihn dann schlussendlich etwa gegen 6 Uhr morgens extubieren.

Da der Mensch jung und sportlich war, hat er das alles gut überstanden. Aber das war nun wirklich ein Highlight – zur Geisterstunde!

Desfluran – zeitgemäß?

Verrückte Sache – wenn man sich mit den volatilen Anästhetika genauer beschäftigt, muss man sich nach einiger Zeit unweigerlich fragen: Warum gibt es überhaupt Desfluran, und warum wird es noch verwendet?

Zunächst der pharmakologische Nutzen: Es hat einen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten von 0,42. Das ist niedriger als bei allen anderen Inhalationsanästhetika, selbst niedriger als Lachgas (0,47). Das nächste Gas, was da heran kommt, ist erst Sevofluran mit einem Koeffizienten von 0,65.

Schlechte Blutlöslichkeit bedeutet gute Steuerbarkeit

Der Vorteil liegt also auf der Hand: Durch die schlechte Blutlöslichkeit (niedrige Potenz) flutet Desfluran besonders schnell an und ab; man soll die Narkose deshalb also besonders gut steuern können. Steuerbarkeit ist in der Anästhesie immer so ein Zauberwort, auf das alle Kollegen abstellen. Dass früher auch Narkosen mit Isofluran völlig problemlos durchgeführt werden konnten (BGVK 1,2), wird da gerne verschwiegen.

Wenn man den Gastopf bei Desfluran zu spät schließt nach längerer OP-Dauer, kann man trotzdem lange darauf warten, dass der Patient erwacht. Da spielen eben auch viele andere Faktoren eine Rolle: Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Operateur und Anästhesist? Hat der Anästhesist ein Gefühl dafür, wie lange die OP noch laufen wird? Welche anderen Anästhetika wurden im Rahmen der Narkose verabreicht? (Narkose ist ein Zusammenspiel vieler Pharmaka, die sich gegenseitig potenzieren; deshalb ist es schwierig, ein einziges Mittel abzugrenzen, warum der Patient in dieser einen blöden Situation eben nicht sofort wach wird, sondern noch etwas schläft).

Der Gasverbrauch ist bei Desfluran am höchsten

Durch den niedrigen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten benötigt man auch relativ viel Narkosegas zur Aufrechterhaltung der Narkose: MAC 6,0 Vol.% (bei einem 40y/o Patienten). Bei Sevofluran liegt die MAC schon nur noch bei 2,1 Vol.%. Das bedeutet einen deutlich höheren Gasverbrauch für Desfluran.

Unter diesem Aspekt ist es teuer: In einer orientierenden Google-Suche kam ich zu folgenden Werten:

  • Desfluran: ~51€ / 100ml
  • Sevofluran: ~60€ / 100ml

Ausgehend von der MAC benötigt ein Patient mehr Desfluran als Sevofluran; somit sind die obenstehenden Zahlen vielleicht etwas irreführend; und Minimal-Flow Narkosen können mit beiden Gasen durchgeführt werden; das ist eine Frage des verwendeten Geräts.

Desfluran hat weitere unangenehme Eigenschaften: Es bildet Trifluoracetat, das immunogen ist und eine „Halothan-Hepatitis“ auslösen kann (entsprechend der Metabolisierungsrate von 0,2% sehr unwahrscheinlich, aber immerhin). Mit trockenem verbrauchtem Atemkalk kann überdies CO entstehen. Ups. Die Fluoridionen, die freigesetzt werden, sind wie bei Sevofluran nach aktueller Lage aber unbedenklich

Bei schneller Anflutung kommt es zu einer paradoxen Aktivierung des Sympathikus mit Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, das gerade bei vorerkrankten Patienten (an Herz und Hirn) Ischämien begünstigt. Das ist einmalig bei den volatilen Anästhetika, jedoch im negativen Sinne.

Desfluran ist in der Neuroanästhesie nicht gut geeignet

Die Kopplung von CMRO2 und CBF wird aufgehoben. Aber die Erhöhung des CBF (und damit die Hirndruckerhöhung bei neurochirurgischen OPs) ist, neben Halothan mit am ausgeprägtesten. Man könnte sagen: ungünstig! Sevofluran ist hier deutlich günstiger, wenn auch nicht optimal, weil es auch leicht den CBF erhöht; na gut. In so einem Falle wären Injektionanästhetika zur Senkung von CBF und Hirndruck sämtlich zu bevorzugen (z.B. als TIVA).

Dazu kommt der untypische Verdampfer für Desfluran. Da der Siedepunkt nahezu bei Raumtemperatur liegt (~23,5°C) würde es bei konventionellem Aufbau des Vapors zu einer nicht steuerbaren Verdampfung/Gasbildung kommen: Sobald der Siedepunkt überschritten wird, wird mehr Gas abgegeben; durch die vermehrte Abgabe würde aber der Vapor wieder abkühlen (2. Gesetz von Gay-Lussac), was eine niedrigere Abgabe zur Folge hätte. Die Hersteller haben sich deshalb entschieden, den Vapor aktiv zu erhitzen auf ~39°C (bei 2atm Druck), und dann das Desfluran-Gas elektronisch gesteuert dem Hauptstrom beizumischen. Dafür ist ein höherer technischer Aufwand nötig – ergo teurer.

Es bleibt der „akademische Nutzen“. Durch die Besonderheiten des Gases und Vapors können „schöne“ verrückte Testate gehalten werden. Einen klinischen Nutzen sehe ich jedoch nicht. In allen Belangen ist Sevofluran ein „besseres“ Gas (von Xenon mal abgesehen, was sich wohl auch in naher Zukunft nicht rentieren wird).

Es ist nicht alles Stroke, was anisokor ist!

Dienst auf der Intensivstation. Angekündigt wurde ein „Stroke“. Anfang 50 Jahre alter Mann, der röchelnd am Telefon zusammengebrochen sei. Bei Eintreffen des Notarztes nicht mehr ansprechbar. Anisokorie. Hypotonie. Da alle Stroke-Units in der näheren Umgebung dicht waren, wurde der Patient zu uns gebracht. Beatmet mit einem Larynxtubus und äußerst hypoton (~70/40mmHg).

Moment: Stroke und hypoton? Sind Strokes nicht hyperton? Bayliss Effekt und so? Komisch…das passt doch nicht…?!

Jedenfalls wurde erst mal ein arterieller Zugang etabliert. Siehe da: Der Blutdruck war wirklich so schlecht. Arterenol-Perfusor dran. Als nächstes der Larynxtubus. Es quietschte so komisch über Lunge … was daran lag, dass der Larynxtubus unbemerkt unter dem Thomas-Holder disloziert war. Larynxtubus raus, Endotrachealtubus rein. Okay. Die Kollegin legte noch einen ZVK.

Ab und zu wurde der Patient ungewöhnlich zyanotisch

Zwischendurch wies der Patient eine merkwürdige Besonderheit auf: Er wurde intermittierend zyanotisch an Kopf und oberer Extremität. Erster Verdacht: Lungenembolie? Es wurde eine Echokardiographie durchgeführt. Kein erweiterter Vorhof, aber dafür ein Flüssigkeitssaum um das Herz herum. Soso.

Weitere hämodynamische Verschlechterung des Patienten. Dobutamin noch mit rein. Diesem Menschen ging es äußerst schlecht.

Das Kontroll-Echo ein paar Minuten später zeigte eine Zunahme des Flüssigkeitssaums. Und da fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Das musste ein dissezierendes thorakales Aortenaneurysma Stanford A sein, das bis in die Carotiden hochgerissen war. Damit erklärte sich die Perikardtamponade, die neurologische Symptomatik, und die Hypotonie.

Trotz Perikardpunktion verschlechterte sich der Patient zusehends

Auch nach Perikardpunktion und dem Versuch die Therapie zu optimieren, verschlechterte sich der Zustand zusehend, bis der Patient schließlich reanimationspflichtig wurde und dann auch starb. Eine Herz-Thoraxchirurgie hatten wir sowieso nicht im Haus, und in dem Zustand hätte er auch nicht mehr transportiert werden können.

Das Problem dieses Patienten war gewesen, dass er bei Eintreffen des Notarztes nicht mehr seine Symptomatik schildern konnte, weil er da schon bewusstlos war. So stürzte sich dieser natürlich auf das naheliegendste, die Anisokorie, und führte den Patienten leider einem ungeeigneten Haus zu. Aber selbst wenn der Patient in einem Maximalversorger gelandet wäre, war sein Verlauf doch so fulminant, dass er wahrscheinlich auch in diesem Falle gestorben wäre.

Es ist aber halt doch nicht immer so Standard, wie man nach zig Notarzt-Einsätzen manchmal denken mag.

Passender Audio-Podcast:

Notarzt bezogene Fortbildungen

Mit der Novelle des RettG NW vom 25.03.2015 und der Konkretisierung durch die Ärztekammer Nordrhein ab dem April 2016 gilt nicht nur eine generelle allgemeine Fortbildungspflicht für Notärzte, sondern im Speziellen eine Pflicht, 20 Punkte bei notarztbezogenen Fortbildungen zu erreichen.

Bisher hieß es immer nur lapidar, man solle sich doch bitte ordentlich rettungsdienstlich fortbilden. Da sowieso eine Fortbildungspflicht für Fachärzte herrscht (250 Punkte in 5 Jahren), erschien das ausreichend. Natürlich stand nirgendwo, wie diese Punkte erarbeitet worden sein müssen. Man könnte eine dermatologische Fachzeitschrift abonnieren, und trotzdem ÄK konform Punkte sammeln. Dass das für eine notärztliche Tätigkeit nicht ausreichend sein könnte, kann man sich denken.

Insofern ist es positiv zu bewerten, dass eine spezielle rettungsdienstliche Fortbildung – immer noch in relativ geringem Umfang – nun verlangt wird. Interessanterweise stehen aber nirgendwo die Anforderungen an die Anerkennung solcher „notärztlichen Fortbildungen“. Weder welche Themen akzeptiert werden, noch aus welchen Punktekategorien (A,C,D,E,H?)

Fortbildungen der Kategorie „N“?

Deshalb werden letztlich die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst der Kreise entscheiden, ob gewisse Fortbildungen notarztbezogen sind, oder nicht. Das birgt eine gewisse Heterogenität der Anerkennungen. Solange man schön zu Reanimationsfortbildungen geht und die ausgerichteten Veranstaltungen der ÄLRD besucht, sollte es ja nun keine Probleme geben. Eine letzte Gewissheit gibt es aber trotzdem nicht. Ist das von der ÄK gewollt? Man kann es fast vermuten…

Bisher hatte ich gedacht, ich kann das Problem geschickt umschiffen. Eine Mitgliedschaft in der AGNNW kostet im Jahr 60€, und man bekommt die Zeitschrift „Der Notarzt“ als Organ der BAND 6x/Jahr zugestellt, inklusive Fortbildungen: Je 3 Punkte, das entspricht 18 Punkten im Jahr, die von den Notärzten offiziell selbst vergeben werden.

Eigentlich kann es da kein Argument gegen die Anerkennung dieser Punkte geben. Gab es dann aber doch. Es seien ja nur Punkte aus Zeitschriften gewesen. Stimmt. Aber niemand hat bestimmt, wie sich die Punkte zusammensetzen müssen…

Fortbildungen sollte verlässlich überregional anerkannt werden

Ein ÄLRD ist in der Position, Punkte anzuerkennen, oder eben auch nicht. Aber er sollte das im Vorhinein über eine Veröffentlichung publik machen, damit alle Betroffenen nach diesen Spielregeln handeln können. Ansonsten wird das Kraut und Rüben und Willkür.

Noch optimaler wäre allerdings eine Stellungnahme aller ÄLRD Deutschlands, wie die Punkte erworben sein müssen. Solange das aber nicht der Fall ist, ist das leider Willkür… Denkbar wäre auch eine neue Punktkategorie für Notarzt-Fortbildungen. So schwer ist das doch nicht?

Eine Mitgliedschaft in der AGNNW lohnt sich natürlich trotzdem als Notarzt.

Quellen:

Beatmungsmodi: Welcher ist optimal?

Und hier befinden wir uns in einem Bereich der Anästhesie, der längst nicht so klar ist, wie es von manchen Kollegen propagiert wird.

Anzumerken dabei sei, dass moderne Überdruck-Beatmung niemals physiologisch ist.

Physiologische Beatmung würde über die Expansion des Thorax und eine Inspiration über einen Unterdruck entstehen (s.a. „Eiserne Lunge“). Da das aber viele Nachteile mit sich bringt (v.a.: man kommt überhaupt nicht an den Patienten ran zur Pflege, geschweige denn zu einer OP), wurde das Verfahren zugunsten der Intubation und Überdruckbeatmung verlassen.

Beatmung verursacht vielfältige Traumata

Die Traumata sind vielfältig, die durch solch eine Beatmung verursacht werden können:

  • Barotrauma (Pmax > 30mbar) durch zu hohe Spitzendrücke
  • Volutrauma (Tv > 6-8ml/kg KG) durch zu hohe Zugvolumina
  • Atelektrauma durch periodisches Eröffnen und „Zufallen“ kleiner Atemwege, vor allem im dorsalen Bereich der Lunge

Weiterhin führt eine künstliche Beatmung zur Verminderung der Totalen Lungenkapazität, einer Erhöhung des Rechts-Links-Shunts, einer Verminderung der Lungencompliance und einer Erhöhung des funktionellen Totraums.

Die Beatmung sollte möglichst atraumatisch eingestellt werden.

Es ist also absolut angezeigt, die Beatmung so wenig traumatisch wie möglich durchzuführen (atraumatisch kann gar nicht möglich sein).

Folgende Zielparameter sind dabei aktuell in der Literatur zu finden (v.a. geprägt durch die ARDSnet Studien):

  • Ppeak < 30mbar
  • Tv ~6-8ml/kg KG (Atemfrequenz entsprechend CO2 und AMV adaptiert)
  • Lieber den PEEP erhöhen als den inspiratorischen Sauerstoff (O2 ist toxisch, nicht vergessen!)
  • Driving Pressure < 15mbar (das ist der Druckunterschied zwischen PEEP und Pmax)

Häufig wird eine druckkontrollierte Beatmung bevorzugt. Dafür wird ein konstant-Druck-Generator verwendet. Der klare Vorteil ist, dass der eingestellte Druck niemals überschritten werden kann. Außerdem kann das Druckniveau über den Zeitraum der Inspiration insgesamt etwas niedriger gehalten werden, als der Spitzendruck bei vergleichbarem Tidalvolumen bei einer volumenkontrollierten Beatmung. Dafür ist der der Beatmungsdruck eher rechteckförmig, was zu einem durchschnittlich höheren Druck über den Zeitraum der Einatmung führt. Angeführt wird auch der dezelerierende Gas-Flow, der angeblich besser (=physiologischer?) sei. Dafür habe ich allerdings noch keine konstante Studienlage gefunden.

Die Alternative ist die klassische volumenkontrollierte Beatmung. Über einen konstant-Flow-Generator wird über einen definierten Zeitraum solange Volumen gegeben, bis das Ziel-Tidalvolumen erreicht ist. Bei akutem Compliance-Abfall der Patientenlunge (Patient presst, wird spastisch, Tubus ist abgeknickt etc.) würde der so erreichte Spitzendruck nun drastisch ansteigen. Deshalb gibt es die Not-Abschaltgrenze Pmax, die in der Regel bei 30mbar eingestellt wird. Grundsätzlich kann man auch mit solchen Einstellungen lungenprotektiv beatmen.

Druckkontrollierte Beatmung wird auf der Intensivstation verwendet

Auf der Intensivstation ist die druckkontrollierte Beatmung über Tage und Wochen vermutlich aber vorteilhaft, weil sich der absolute Spitzendruck schon etwas reduzieren lässt. Nach persönlicher Erfahrung liegt der Ppeak-Unterschied zwischen VCV und PCV bei etwa 1-2mbar.

Als Hybrid-Verfahren gibt es auch noch die volumenkontrollierte Druck-Beatmung (Bei Dräger ist das : Volume Autoflow, oder woanders auch PRVC=Pressure regulated volume control). Das Tidalvolumen wird wie bei der volumenkontrollierten Beatmung eingestellt, aber die Maschine gibt eine Druckkurve aus wie in der Druck-Beatmung, misst die resultierenden Tidalvolumina und passt die Druckniveaus anhand des eingestellten Tv ein. Ein sehr elegantes Verfahren, wenn man die Vorzüge beider Verfahren kombinieren möchte.

Im OP bei kurzzeitigen Beatmungen scheint sich aber kein Verfahren vom anderen großartig zu unterscheiden, was die Komplikations- oder Traumaraten angeht. Die Patienten sind meist mehr oder weniger lungengesund und werden nur kurz beatmet, maximal ein paar Stunden. Solange man die allgemeinen Zielwerte (s.o.) einhält, bin ich der Meinung, dass auch nichts gegen eine volumenkontrollierte Beatmung spricht.

Im Gegenteil: Wenn sich die Patientencompliance im Rahmen der OP ständig ändert wegen Schmerzreizen, OP-Druck im Abdomen  und ähnlichem, kann ich auf diese Weise eine konstante Beatmung gewährleisten (solange der Pmax korrekt eingestellt ist). In der Druckkontrollierten Beatmung muss ich händisch häufig die Beatmung nachjustieren, weil sie aus dem Gleichgewicht gerät (Stichwort: Laparoskopische OPs).

Volumenkontrollierte Beatmung bei Larynxmasken ist problemlos möglich

Auch die Beatmung mit einer Larynxmaske ist volumenkontrolliert völlig problemlos möglich, solange der Spitzendruck nicht über 20mbar ansteigt. Bei Einstellung der korrekten Abschaltgrenze ist damit ist das Hauptargument für die PCV-Anhänger bei Larynxmasken entkräftet. Im Zweifel ist VCV sogar vorteilhaft, weil es längere Zeit auch niedrigere Druckniveaus hat als bei PCV, wo kontinuierlich ein etwas höherer Druck gehalten wird. Ob das tatsächlich einen Einfluss auf die Gasleckage oder Fehlbeatmungen in den Magen zur Folge hat, kann ich aber nur mutmaßen…

Wie dargestellt führen viele Wege nach Rom. Grundsätzlich das eine oder andere Verfahren zu verdammen ist aber der falsche Weg. Man kann in diesem Zusammenhang auch viel von persönlichen Vorlieben und „Schule“ sprechen; eine differenziert Bewertung von Beatmung sollte man sich aber nicht nehmen lassen. Die Realität ist manchmal komplizierter, als manche Kollegen sich das wünschen würden.

Passender Audio-Podcast: http://anae-doc.de/download/anae-doc-cast-06-beatmung-ards-hoerprobe/

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