Adrenalin in der Reanimation – gut oder was?!

 

Die Nutzung von Adrenalin in der Reanimation erscheint wie ein unumstößliches Dogma. Bereits in den 1960er Jahren konnte in einem Hunde-Modell gezeigt werden, dass die Gabe von Adrenalin bei Asphyxie das Überleben der (armen teilnehmenden) Tiere verbessern konnte[1].

Es gibt aber erstaunlich wenig belastbare Evidenz, was die Gabe von Adrenalin denn nun wirklich rechtfertigen würde. Lin et al. fanden in ihrer Literatur-Recherche zu dem Thema gerade einmal 14 Studien[2].  Verrückt, wo wir doch dogmatisch auf das Adrenalin pochen im täglichen Geschäft.

Durch seine maximale alpha- und beta-Aktivierung führt es zu einer maximalen sympathoadrenergen Stimulation. Vasokonstriktion, Inotropie-Erhöhung und so weiter. Es wird in den Leitlinien zur Herz-Lungen-Wiederbelebung sowohl für die Kammerflimmer- als auch die Asystolie/PEA-Gruppe als First Line Medikament empfohlen.

Und in der Tat kann man auch bei einer Asystolie nach Gabe von Adrenalin beobachten, dass manchmal ein feinschlägiges (quasi isoelektrisches) in ein grobschlägiges, defibrillierbares Kammerflimmern umgewandelt werden kann.

Erst 2009 erschien eine norwegische Studie, die Reanimationen mit und ohne Verwendung von Adrenalin miteinander verglich. Die Outcomes waren verrückterweise identisch. Schlimmer noch – in einer folgenden post hoc Analyse schien es, als würde die Adrenalin-Gruppe zwar primär häufiger lebend hospitalisiert werden – aber hatte ein verkürztes mittelfristiges Überleben und ein schlechteres neurologisches Outcome.

Adrenalin – gut oder schlecht? Was denn nun?

In der PARAMEDIC2-Studie der Warwick Medical School sollte dem in einer hochwertigen randomisiert, kontrollierten Studie nachgegangen werden. Sie fand statt in Großbritannien in Zusammenarbeit mit Paramedics der Welsh, West Midlands, North East, South Central und London Ambulance Services von 2014 bis 2017.

Patienten hatten – immerhin – über die unten genannte Homepage die Möglichkeit, sich von der geplanten Studie ausschließen zu lassen. Schließlich wich man bewusst deutlich von den internationalen Empfehlungen ab; und das bei einem Krankheitsbild,  wo potentiell kleine Änderungen im Protokoll große Änderungen (den Tod, oder ein schlechteres neurologisches Outcome nach dem Herzstillstand) zur Folge haben könnten.

Tatsächlich schaffte es aber die Studie durch den Ethikrat Großbritanniens aufgrund des dringenden Forschungsbedarfs. Im Rahmen der Evidence Based Medicine müssen alte Lehrmeinungen eben manchmal in Frage gestellt werden. Besonders, wenn die Studienlage so ausgesprochen mager aussieht.

Studiendesign von PARAMEDIC2

Eingeschlossen wurden alle Patienten mit Out of Hospital Cardiac Arrest (OHCA). Ausschlusskriterien waren lediglich Schwangere, Patienten mit Asthma und lebensbedrohlicher Asphyxie, weil dort Adrenalin als klar vorteilhaft angesehen wurde.

Die rekrutierte Population umfasste schließlich 8.016 Patienten; 4.015 in der Adrenalin- und 3.999 in der Placebo-Gruppe. Primäres Outcome war das 30-Tage Überleben, sekundäre Outcomes ein Verlassen des Krankenhauses und ein neurologisch intakter Status.

Ergebnisse und Diskussion

In der Tat konnte in der Adrenalin-Gruppe eine größere Menge Patienten „gerettet“ werden – soweit man das mit „Überleben“ gleichsetzt: 3,2% versus 2,4% in der Placebo-Gruppe. Allerdings hatten von diesen Überlebenden mehr Menschen deutliche neurologische Einschränkungen (modifizierte Rankin-Scale von 4-5; das heißt, bettlägerig, auf kontinuierliche Pflege angewiesen, nicht fähig das Leben selbständig weiterzuleben). Hier war das Verhältnis der Adrenalin-Receiver 31% versus 17,8%.

Welche Konsequenz diese Ergebnisse auf die Leitlinien des ILCOR und der nationalen Gesellschaften haben wird, bleibt abzuwarten. Die Studie ist vom Design her gut gemacht, aber natürlich im Paramedic-System Großbritanniens durchgeführt. Inwieweit die Ergebnisse auf andere Länder übertragen werden können, wird sicher in Folgestudien untersucht werden. Prof. Böttiger (Präsident des GRC) wird in der Stellungnahme des ERC (s.u.) dazu jedenfalls wie folgt zitiert: „Ob und inwieweit diese Ergebnisse auf unser hervorragendes und von Notärztinnen und Notärzten gestütztes Rettungssystem in Deutschland übertragbar sind bleibt fraglich. Bei uns sind die Überlebensraten zum Glück etwa viermal so hoch.“

 

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