Im OP-Alltag halten sich immer noch viele Halbwahrheiten und „persönliche Erfahrungen“, was die Inzidenz und das Auslösen von PONV (postoperative nausea and vomiting) angeht. Laparoskopische Eingriffe per se sollen eine solche zum Beispiel auslösen können. Oder Propofol soll antiemetisch wirksam sein. Als Risikofaktoren werden einige angeführt.
Wenn man aber nach Miller’s Anesthesiology geht, ist das alles viel Schabernack, und wenig Evidenz (Ich empfehle bei tiefergehendem Interesse das PONV-Kapitel im Miller: Sehr detailliert und gut nachvollziehbar geschrieben, untermauert mit der nötigen Evidenz). Im folgenden beziehe ich mich darauf.
Risikofaktoren für Übelkeit und Erbrechen nach Narkosen sind von Apfel et al. identifiziert worden, mit einer ziemlich guten Korrelation zwischen Anzahl der Faktoren und PONV Inzidenz (jeweils etwa 20%). Das sind im einzelnen:
- Weibliches Geschlecht
- Nichtraucher
- Neigung zu Übelkeit, schon mal postoperative Übelkeit gehabt oder Reisekinetose(!)
- hoher postoperative Opioidbedarf
Es liegt in meiner Hand, wieviel Schmerzmittel ich verabreiche
Zum letzten Punkt möchte ich anfügen, dass man das als Anästhesist durchaus beeinflussen kann (und sollte). Wenn ich einen stark schmerzhaften Eingriff betreue (z.B. Knie-TEP ohne Schmerzkatheter, Hallux valgus-OP), liegt es in meiner Hand, wieviele Schmerzmittel in welchem Schema ich während der Narkose verabreiche. Die Übelkeit entsteht, wenn ein Spitzenspiegel im Blut des Patienten erreicht wird – wenn ich während der Patient noch schläft langwirksame Opiate gegeben habe, kann ich das vermeiden. Außerdem ist es ja meine Aufgabe, den Patienten gut vor Schmerzen abzuschirmen; da können auch adjuvant weitere Substanzen in Erwägung gezogen werden, z.B. Clonidin oder Ketamin zur Supplementierung der Opiatwirkung.
Weitere Auslöser für PONV sind im Prinzip alle Narkosegase (-flurane, auch Lachgas). Die antiemetische Wirkung von Propofol ist umstritten – aber es löst immerhin keine Übelkeit aus!
Nur zwei Operationen sind nachweislich mit PONV vergesellschaftet
Operationen werden viel diskutiert, jedoch konnte nur für die laparoskopische Cholezystektomie und Strabismus-OPs bei Kindern eine signifikante Korrelation gezeigt werden. Gynäkologische Operationen (aus operationstechnischer Sicht) sind kein Auslöser für PONV; aber das operierte Klientel erfüllt natürlich deutlich mehr Risikofaktoren nach Apfel, als junge Männer mit Frakturen in der Unfallchirurgie.
In einem netten Cochrane-Review wurde aus 737 Studien die Effektivität und nötige Dosierung von PONV-Prophylaktika ermittelt[1]. Im gemittelten Vergleich reduziert im Prinzip jedes Antiemetikum die PONV-Inzidenz um circa 30%. Ondansetron etwas mehr, und MCP etwas weniger. Die Unterschiede in den Nachkommastellen der RRR sind jedoch nicht als wirklich relevant einzustufen!
(Leider befindet sich das Review aktuell in Überarbeitung, weil offensichtlich eine Reihe von zugrunde liegenden Studien zurückgezogen werden musste – vielleicht sieht das Bild in ein paar Monaten anders aus. Ich werde das im Auge behalten.)
[1]http://www.cochrane.org/CD004125/ANAESTH_drugs-preventing-nausea-and-vomiting-after-surgery
Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.