Tubus rettet Leben

 

Normalerweise ist ein Endotrachealtubus bloß eine flankierende Maßnahme, die die Atemwege sichert, Aspirationen vermeidet und ähnliches. Dass der Tubus als alleinige Maßnahme einen Patienten quasi sofort rettet, ist aber eher unüblich.

Alarmierung in eine etwas heruntergekommene Wohnung in der Nähe des NEF Standorts.

Vorgefunden wurde eine nach Luft schnappende, präfinal aussehende Patientin, die rücklings auf dem Boden lag. Die Angehörigen hatten keine weiteren Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt ergriffen. Die Patientin habe nach Luft geschnappt und noch versucht das Fenster zu öffnen, als sie dann schon zusammenbrach.

Sofort wurde ein Monitoring angeschlossen.

Die periphervenöse Sättigung betrug etwa 40%. Der Puls war noch schwach tastbar. Die Situation befand sich knapp vor einer Reanimation. So konnte ich aber noch versuchen, assistiert mit Beutel und Guedel-Tubus zu beatmen, was auch mehr oder weniger funktionierte. Letztendlich sollte damit auch bloß die Zeit überbrückt werden, bis ein intravenöser Zugang etabliert werden konnte.

Aufgrund der äußerst kritischen Kreislaufsituation (am ehesten durch die Hypoxie verursacht) waren aber quasi keine Venen zu finden, geschweige denn erfolgreich zu punktieren.

Tubus rettet Leben; Heike C. Ewert

In der Zwischenzeit konnten im EKG allerlei wilde Arrhythmien beobachtet werden: Von Normofrequenz über Bradykardien bis unter 40/min, Extrasystolen und zwischenzeitlichem Vorhofflimmern bot das wirklich alles. Die Phänomene korrelierten auch sehr gut mit der Güte der assistierten Maskenbeatmung. Zwischendurch ließ ich immer wieder einen Assistenten nach Puls fühlen, um nicht den Moment des Reanimationsbeginns zu verpassen.

Ein Gefäßzugang ließ sich nicht etablieren

Medikamentös gab es quasi nichts zu regeln, weil sich kein Gefäßzugang etablieren ließ. Die intraossäre Kanüle war draußen im NEF, quasi außer Reichweite. Es musst etwas geschehen.

Damit ich wenigstens das Beatmungsproblem, also das A-Problem, aus den Hacken hatte, entschloss ich mich, die Patientin ausnahmsweise ohne Sedierung und Zugang und bei Schnappatmung zu intubieren. Der GCS betrug ohnehin während der ganzen Zeit 3, sie war also tief bewusstlos durch die Hypoxie und ihre womögliche Grunderkrankung.

Die Intubation lief glatt und ohne Probleme.

Quasi als Sofortreaktion auf den freien Atemweg normalisierte sich das EKG, der Blutdruck kehrte zurück, und es konnte endlich ein Zugang gelegt werden. Jetzt wurde auch eine Sedierung mit Fentanyl und Midazolam nachgeholt. Die Spontanatmung blieb dabei die ganze Zeit über erhalten.

Verbringen der Patientin unter Spontanatmung ins Krankenhaus

Mit CPAP/ASB (assistierter Spontanatmung) wurde die Patientin auf die Intensivstation eines Krankenhauses verbracht.

Wahrscheinlichste Diagnose: Bolusgeschehen.

Intubation ohne Narkose? Naja. Ganz ehrlich. In dieser Situation, bei einer Patientin, die vom Blutdruck her sowieso schon kurz vor Reanimation stand, und die tief bewusstlos war, als Ausnahme durchaus zu rechtfertigen in meinen Augen. Nach Bradykardie kommt eigentlich nur noch Kammerflimmern und Asystolie bei Asphyxien. Von daher bin ich ganz froh, dass ich das abwenden konnte (auch wenn es sicher nicht die feine englische Art war). Normalerweise sollte man das aber anders handhaben (s. u. die entsprechende Leitlinie).

Aber im Aufzug zur Intensivstation öffnete die Patientin schon wieder langsam ihre Augen!

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Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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