Tablettenreste im Stuhlgang – ohje!

Aus gegebenem Anlass eine Information, die mir im Studium nicht beigebracht wurde, und die in der Praxis für Verwirrung sorgen kann. Folgende Situation auf der Intensivstation: Die Schwester aus der Pflege berichtet, der Patient scheide Tablettenreste unverdaut mit dem Stuhlgang aus. Ach du Schreck!

Was resorbiert der Patient überhaupt von den ganzen Tabletten, die wir Tag für Tag in ihn hinein werfen? Was ist mit dem Antikoagulationsschutz? Was mit dem Magenschutz und der Frequenzkontrolle. Herrjemine…?!

Hastig werden Medikamente auf ihre intravenöse Darreichungsform gewechselt. Und über allem bleibt die Frage:

„Wie kann man eine Tablette oral aufnehmen, und sie unverdaut am Ende der Magen-Darm-Passage wieder ausscheiden?“ – aber vielmehr sollte man sich fragen: „Ist das überhaupt galenisch möglich?“

An dieser Stelle hat man dann schon die richtige Frage gestellt. Die Antwort ist nämlich schlichtweg: Nein. Vielmehr ist der beobachtete Effekt – bei gegebener Wirkstofffreisetzung – beabsichtigt!

Das Stichwort sind Retardpräparate, die über die gesamte Darmpassage kontinuierlich, eben retardiert, ihren Wirkstoff abgeben sollen. Dafür haben sie eine (magensaft)resistente Hülle, die sich nur an einer Stelle öffnet, und daraus den Wirkstoff abgeben kann. Der Rest (d.h. die „Matrix“) ist resistent bzw. solide konzipiert. Ein Hoch auf unsere pharmazeutischen Kollegen – und: Verrückt was alles möglich ist!

Unter den betroffenen Medikamenten sind auch Präparate, die in der Anästhesie und Intensivmedizin zur Anwendung kommen: Oxycodon, Oxycodon+Naloxon (Targin(r)), Hydromorphon, Morphin, Venlafaxin.

Also: Nicht gleich in Panik verfallen. In der Online-Ausgabe der Deutschen Apothekerzeitung ist ein sehr unterhaltsamer und lehrreicher Artikel dazu erschienen (s. Quellen).

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

5 Kommentare

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  1. Du hast das Mysterium von der ITV gelöst verrückt

  2. Hallo,
    Ich nehme Venlafaxim retardiert 375mg ein
    Des öfteren sind in meinem Stuhlgang mehrere Kapseln zu sehen.
    Was mich unsicher mach, ist, das in der Restkapsel noch weißes Pulver zu sehen ist
    Haben sie so etwas schon einmal gehört?

  3. Laut dem verlinkten Beitrag und der Packungsbeilage ist Venlafaxin eins der Mittel, das sichtbare Restbestandteile im Stuhlgang haben kann.

    Die Kapseln enthalten aber kein Pulver, sondern „Kügelchen“ (lt. Packungsbeilage genannt „Sphäroide“), die den Wirkstoff im Darm langsam abgeben. Diese Kügelchen können sichtbar sein (Packungsbeilage, Abschnitt „Art der Anwendung“, letzter Absatz). Vermutlich ist das beobachtete Pulver gar kein Pulver, sondern Reste des chemischen Prozesses, wie die Kapseln und Kügelchen den Darm passiert haben.

    Ich verweise auch noch mal auf den in meinem Beitrag verlinkten Artikel. Ich bin jedoch der Meinung, dass kein Grund zur Beunruhigung besteht.

    • Tanja Wellbrock auf 30. September 2021 bei 14:09
    • Antworten

    Gilt die obige Aussage auch, wenn ein Teil des Dickdarms operativ entfernt wurde, so dass sich die Darm-Passage entsprechend verkürzt? Fühle oft die beschichteten Tabletten im Stoma-Beutel…!
    Mit freundlichen Grüßen

    • Marika Laube auf 19. März 2024 bei 09:42
    • Antworten

    Ich wurde nach 12 Jahren von Norspan auf Oxycodon/Naloxon 5mg/2,5mg (wegen Darmlähmung) umgestellt,mit schlimmen Entzugserscheinungen.Täglich sind die ganzen Tabletten im Stuhl.Ist das denn normal?Ich mach mir Sorgen,da meine Schmerzärztin nicht weiß warum.

  1. […] Unstrittigerweise wird man wohl kaum heutzutage (im deutschsprachigen Raum) Halothan verwenden. Aber irgendetwas verwirrt da doch den Narkomaten… oder ist das ein Gespenst? Apropos Gespenst: Da hatte ich auch einen Artikel zu geschrieben (Tablettenreste im Stuhlgang). […]

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