Midazolam intranasal per MAD bei epileptischem Anfall – obsolet?!

 

In der Zeitschrift „Der Notarzt“ ist in Ausgabe 3/2019 ein äußerst interessanter Artikel erschienen zum Thema „Midazolamapplikation im akuten epileptischen Anfall des Kindes„. Die Autoren beleuchten dort die verschiedenen Applikationswege, die im Notfall zur Verfügung stehen.


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Seit Jahren etabliert ist der rektale Weg über Diazepam-Rektiolen (wenn auch schwierig in der Praxis durchzuführen und mit Akzeptanzproblemen behaftet). Daneben haben neuere Benzodiazepine das Diazepam in der täglichen Routine abgelöst: Midazolam und auch Lorazepam. Diazepam ist eben seit 1963 erhältlich und somit recht alt (aber erprobt).

Die intranasale Applikation hat sich als Alternativzugang etabliert

Bei einem krampfenden Kind kann es durchaus schwierig sein, einen venösen Zugang zu etablieren. Deshalb hat sich, nicht zuletzt auch im Handbuch der AGNNW (Arbeitsgemeinschaft der Notärzte Nordrhein-Westfalens) „SAA und BPR im Rettungsdienst“, die intranasale Applikation als guter und sicherer Alternativzugang etabliert.

Eine Sedierung ohne i.v.-Zugang birgt natürlich Risiken: Atemdepression, Kardiodepression, Anaphylaxie, Aspiration, um nur ein paar zu nennen. Eine zeitnahe Reaktion darauf wird durch den fehlenden Zugang erschwert. Die Erfahrungen aus der Pädiatrie zeigen aber, dass Midazolam zum einen sehr sicher nasal verabreicht werden kann – in den empfohlenen Dosierungsgrenzen; außerdem dreht es sich bei den genannten Komplikationen eher um das Medikament an sich, als um den Zugangsweg.

Midazolam ist nicht für die intranasale Applikation zugelassen

Im angesprochenen Artikel im Notarzt wird aber bemängelt, dass Midazolam überhaupt nicht für die intranasale Applikation zugelassen wurde (nur für: intravenös, rektal, intramuskulär). Es handelt sich demnach um einen Off-Label-Use[1].

Darunter versteht man die Anwendung eines Arzneimittels außerhalb seiner im Zulassungsprozess erworbenen Indikationen oder Patientengruppen. Eine indikationsfremde Anwendung ist Ärzten aber grundsätzlich erlaubt (gute klinische Evidenz vorausgesetzt). Manchmal schreitet die Wissenschaft schneller voran, als die Zulassungsverfahren Fahrt aufnehmen. In manchen Fällen würde man Patienten auch aufgrund solch rechtlichen Hürden eine wirksame Therapie vorenthalten.

Die Arbeitsgruppe Embryotox befasst sich übrigens genau mit diesem Thema im Rahmen von Therapien in Schwangerschaft und Stillzeit. Wer macht schon Studien an Schwangeren?!

Buccolam kann eine Alternative sein

Als Alternative wird im betrachteten Fallbeispiel Buccolam(r) (Wirkstoff: Midazolam) vorgeschlagen, das als Gel in die Wangentasche eingelegt wird. Der einzige gravierende Unterschied hier ist der, dass es offiziell für diese Indikation zugelassen wurde.

Natürlich muss man einen Off-Label-Use immer hinterfragen, wenn man eine gute Alternative hat, die auch noch dafür zugelassen wurde. Logistische Fragestellungen mit Neuanschaffungen, Bevorratung und Transport stellen sich dennoch. Midazolam als Injektionslösung hingegen ist ein Standard-Medikament der Notfallmedizin, das sowieso seit vielen Jahren seinen festen Platz im Rettungswagen hat. Darüber hinaus ist es bei der Durchbrechung eines Krampfanfalls durchaus wirksam, auch wenn es dafür nicht laut Fachinformation indiziert ist.

Das MAD ist nur für die Anwendung mit dafür laut Fachinfo indizierten Medikamenten zugelassen

Weiterhin wird von den Autoren angeführt, dass das „Mucosal Atomization Device“ gar nicht für die Applikation von systemisch wirksamen Medikamenten zugelassen sei. Bei Medizinprodukten gebe es keinen Off-Label-Use, und dementsprechend könne man eine entsprechende Verwendung für (systemisch wirksames Midazolam) in keiner Weise rechtlich rechtfertigen.

Mit dieser Argumentation könnte es gravierende Probleme in der pädiatrischen Notfallversorgung geben. Denn nicht nur Krampfanfälle können intranasal durchbrochen werden. Auch Analgosedierungen mit Ketamin und Midazolam sind möglich, sowie die Gabe anderer Medikamente. Dies ist alles gängige, erprobte klinische Praxis. Man könnte von Good Clinical Practice, einem der Grundpfeiler moderner Medizin (neben dem Prinzip der Evidence based Medicine) sprechen.

Auf der Seite von Teleflex findet man z.B. einen rechtlichen Hinweis zur Verwendung des MAD: „For use with drugs approved for intranasal delivery.“ Da stellt sich jetzt die Frage, ob die Verwendung eines Off-Label-Medikaments die Nutzung des MAD verbietet…

Die BAND beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema

Dieses durchaus kontroverse Thema erschien im „Notarzt“, der immerhin das offizielle Mitteilungsorgan der BAND, DIVI und ÖNK ist. Scheinbar gibt es aber nun Probleme bei der Akzeptanz der vorgebrachten Punkte. Die Kollegen der BAND sind darauf sehr eingängig und schlüssig in ihrer Stellungnahme vom 25.08.2019 angesprungen: BAND-Statement[2]. Schlussendlich sehen die Kollegen keinen Grund, den MAD und im speziellen die intranasale Applikation von Midazolam im Notfall über diesen Zugangsweg abzuschaffen. Ich verweise an dieser Stelle auf die ausführliche Darstellungen im genannten Statement.

Midazolam kann übrigens auch ohne Zerstäuber wirksam nasal verabreicht werden (das habe ich schon einmal in der Praxis erlebt). Der Patient spuckt zwar die Hälfte der Injektionslösung kurzfristig durch den Raum – aber dann wird er müde.

Links:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

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