Es ist nicht alles Stroke, was anisokor ist!

Dienst auf der Intensivstation. Angekündigt wurde ein „Stroke“. Anfang 50 Jahre alter Mann, der röchelnd am Telefon zusammengebrochen sei. Bei Eintreffen des Notarztes nicht mehr ansprechbar. Anisokorie. Hypotonie. Da alle Stroke-Units in der näheren Umgebung dicht waren, wurde der Patient zu uns gebracht. Beatmet mit einem Larynxtubus und äußerst hypoton (~70/40mmHg).

Moment: Stroke und hypoton? Sind Strokes nicht hyperton? Bayliss Effekt und so? Komisch…das passt doch nicht…?!

Jedenfalls wurde erst mal ein arterieller Zugang etabliert. Siehe da: Der Blutdruck war wirklich so schlecht. Arterenol-Perfusor dran. Als nächstes der Larynxtubus. Es quietschte so komisch über Lunge … was daran lag, dass der Larynxtubus unbemerkt unter dem Thomas-Holder disloziert war. Larynxtubus raus, Endotrachealtubus rein. Okay. Die Kollegin legte noch einen ZVK.

Ab und zu wurde der Patient ungewöhnlich zyanotisch

Zwischendurch wies der Patient eine merkwürdige Besonderheit auf: Er wurde intermittierend zyanotisch an Kopf und oberer Extremität. Erster Verdacht: Lungenembolie? Es wurde eine Echokardiographie durchgeführt. Kein erweiterter Vorhof, aber dafür ein Flüssigkeitssaum um das Herz herum. Soso.

Weitere hämodynamische Verschlechterung des Patienten. Dobutamin noch mit rein. Diesem Menschen ging es äußerst schlecht.

Das Kontroll-Echo ein paar Minuten später zeigte eine Zunahme des Flüssigkeitssaums. Und da fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Das musste ein dissezierendes thorakales Aortenaneurysma Stanford A sein, das bis in die Carotiden hochgerissen war. Damit erklärte sich die Perikardtamponade, die neurologische Symptomatik, und die Hypotonie.

Trotz Perikardpunktion verschlechterte sich der Patient zusehends

Auch nach Perikardpunktion und dem Versuch die Therapie zu optimieren, verschlechterte sich der Zustand zusehend, bis der Patient schließlich reanimationspflichtig wurde und dann auch starb. Eine Herz-Thoraxchirurgie hatten wir sowieso nicht im Haus, und in dem Zustand hätte er auch nicht mehr transportiert werden können.

Das Problem dieses Patienten war gewesen, dass er bei Eintreffen des Notarztes nicht mehr seine Symptomatik schildern konnte, weil er da schon bewusstlos war. So stürzte sich dieser natürlich auf das naheliegendste, die Anisokorie, und führte den Patienten leider einem ungeeigneten Haus zu. Aber selbst wenn der Patient in einem Maximalversorger gelandet wäre, war sein Verlauf doch so fulminant, dass er wahrscheinlich auch in diesem Falle gestorben wäre.

Es ist aber halt doch nicht immer so Standard, wie man nach zig Notarzt-Einsätzen manchmal denken mag.

Passender Audio-Podcast:

Begeisterter Anästhesist mit Faible für Teaching und Medizininformatik.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.