Liberale Flüssigkeitskarenz

 

Ein Gastbeitrag von Anne Rüggeberg und Eike Nickel

Im letzten Beitrag wurde die Frage gestellt, wie wir die Empfehlungen zur präoperativen Flüssigkeitskarenz in Zukunft für unsere Patient:innen vor Narkose gestalten sollten?

Das Problem

Das Problem ist ja, dass die strikte Einhaltung der aktuellen Leitlinienempfehlung einer 2-stündige Flüssigkeitskarenz in der Realität dazu führt, dass Patient:innen im Median bis zu 12 Stunden vor ihrer Narkose nicht getrunken haben. Dies steht im Widerspruch zur Empfehlung der Leitlinie, dass Patient:innen nicht länger als 2 Stunden nüchtern sein sollten. Längeres Fasten beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden unserer Patient:innen, sondern erhöht auch deutlich die perioperative Morbidität. Doch welche Lösungsansätze bietet uns die Literatur?

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Nüchternheit und Aspirationsrisiko?

 

Internationale Leitlinien empfehlen eine 2-stündige Flüssigkeitskarenz vor Narkoseeinleitung [1–3]. Das ist organisatorisch kaum umsetzbar. Und aus Angst, das Anästhesist:innen eine Narkoseeinleitung bei Patient:innen ablehnen, die diesen Grenzwert unterschreiten, dürfen diese sicherheitshalber ab den frühen Morgenstunden nichts mehr trinken. Und da je länger nüchtern umso besser schon immer so war, trinken einige Patient:innen zuletzt am Vorabend. Dass das nicht gut ist, wissen wir alle.

Neurologische Symptome treten bereits beim Verlust von 1% des Körperwassers auf, dies entspricht ungefähr 400ml bei einem normgewichtigen Erwachsenen [4]. Jeder Notarzt kennt den Einsatz zur Bewusstseinseintrübung im Seniorenheim und kann nach intravenöser Flüssigkeitsgabe einen aufgeklarten Patienten in seiner gewohnten Umgebung belassen.

Aber sollten unsere Patient:innen nicht mit optimalen Voraussetzungen in ihre Operation starten, so wie Sportler in einen Wettkampf? Warum ist das nicht so? Und können wir so weitermachen?

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HME Filter – Funktionsweise, Leistung

 

Da ich plane, in naher Zukunft einen Artikel über die Tuberkulose zu schreiben, kommt unweigerlich auch die Frage nach dem Schutz des Personals auf. Ein Patient, der beatmet ist, ist ja nach wie vor infektiös. Unsere Geräte sind in der Regel „halbgeschlossen“, d.h. wir nutzen ein Kreisteil, aber es geht auch immer etwas Gas verloren durch Undichtigkeiten.

Bei hochinfektiösen Patienten würde das dann automatisch auch bedeuten, dass man den Raum drumherum kontaminiert, obwohl der Patient vielleicht einen Tubus in der Luftröhre liegen hat. Immer dran denken: Unsere Systeme sind in der Regel nicht völlig geschlossen. Und wenn ich mir so einen Dräger Zeus mit seinen Fehlermöglichkeiten anschaue, bin ich mir auch nicht so sicher, inwiefern das wünschenswert ist.

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PONV Prophylaxe: Aktueller Stand?

 

Der letzte Beitrag zum Thema PONV hier auf dem Blog liegt nun schon 6 Jahre zurück. Seitdem ist vor allem meine Hauptquelle, eine Analyse der Cochrane Collaboration zurückgezogen worden. Schade. Der Grund war, dass bis Juli 2017 67 der 737 analysierten Studien ihrerseits zurückgezogen wurden. Das verfälscht die Meta-Analyse natürlich schon gehörig.

Zum Glück ist 2020 eine aktualisierte Version erschienen, die ich hier zusammenfassen möchte.

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Fies: Krim Kongo Hämorrhagisches Fieber

 

Das Krim-Kongo Hämorrhagische Fieber (CCHF) ist eine seltene, aber eine der schwersten Viruserkrankungen des Menschen. Ausgelöst wird es durch das gleichnamige Virus (CCHFV). Es kann von Zecken als Vektor auf den Menschen übertragen werden. Mit zunehmender Globalisierung und Klimaveränderungen sind Fälle von CCHF in den letzten Jahren weltweit gestiegen. Eine gepoolte Mortalitätsrate von 5-30% wird beschrieben.

Da es in Europa quasi eine Null-Inzidenz gibt, ist es in unseren Breiten sehr selten (importiert), aber dann umso schwieriger zu erkennen und natürlich fataler.

Zunächst einmal: Warum Krim-Kongo? Das liegt doch total weit auseinander? Die ersten dokumentierten Fälle stammen aus dem Jahr 1944 von sowjetischen Truppen auf der Krim im Kampf gegen die Deutschen. Fast 200 Soldaten erkrankten an einem hämorrhagischen Fieber, mit einer Mortalität von 10%[1].

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KI in der Anästhesie?

 

Dass ich etwas mit Computern und Medizin zu tun habe, hat man ja an verschiedenen Stellen auf diesem Blog schon mal gelesen oder als Podcast gehört (z.B. hier oder hier).

Jetzt gehen ja aktuell die Chatbots durch die Presse. Chat-GPT, Google Bard und deren Brüder und Schwestern. Es handelt sich um Sprachmodelle, die mit einer großen Datenbank unterfüttert, erstaunliche Dinge vollbringen können. Dass Chat-GPT das amerikanische Staatsexamen bestehen kann (ich meine – wir wissen ja, dass so etwas vor allem „kristallines Wissen“ betrifft, also harte Fakten, die man lernen muss), finde ich insofern gar nicht so spannend.

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Schlangenbisse im Schwarzwald

 

Passend zum neuen Indiana Jones Film heute ein Beitrag über: Schlangen („Ich hasse Schlangen“).

In Deutschland gibt es tatsächlich zwei nativ vorkommende Giftschlangen (die anderen sind ja uninteressant): Aspisviper und Kreuzotter. Noch Zitat, weil ich nicht anders kann: „Aspisvipern, sehr gefährlich. Du gehst zuerst, Indy“ J

Es werden die Schlangen zunächst vorgestellt, und dann erläutert, was man medizinisch nach einem Biss tun sollte.

Kandidat 1: Die Aspisviper

Die Aspisviper (Vipera aspis) gehört zu den Viperidae innerhalb der Schlangen. 90 Zentimeter wird sie  maximal lang und kommt in Deutschland nur noch im Schwarzwald vor, außerdem in Spanien, Frankreich, Schweiz, Italien und Slowenien. Besonders in Höhenlagen ab 3000m und den Pyrenäen ist sie beheimatet. Ihr bevorzugtes Habitat ist warm, trocken und steinig, wie Geröllflöchen, Steinbrüche oder vegetationsfreie Schotterflächen.

Von der Zeichnung her ist sie hellgrau bis rotbraun oder auch komplett schwarz. Im Nacken befinden sich dunkle Querbinden.

Sie ist überwiegend tagaktiv und sehr standorttreu. Hauptsächlich Kleinsäuger, Eidechsen und auch schon mal Vögel stehen auf dem Speiseplan.

In den kälteren Monaten von Oktober bis März halten die Tiere eine Winterstarre in Verstecken etwa 5-8 Zentimeter unter der Erde. Da sie wechselwarm sind, bleibt ihnen letztlich auch gar nichts anderes übrig.

Sie gilt in der Roten Liste gefährdeter Arten als vom Aussterben bedroht und darf weder getötet noch gefangen werden.

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Klimaschutz im Gesundheitswesen

 

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich schon mal etwas zum Thema „Umweltschutz und Narkosegase“ geschrieben. Dabei hatte ich darauf verwiesen, dass es dazu noch deutlich mehr zu schreiben gibt, es aber den Rahmen sprengen würde.

Heute möchte ich euren Blick weiten. Denn zwar ist die Anästhesie mit ihren Gasen ein eigenständiger Faktor für Klimabelastungen (sein Impact wird auf ca. 1% des globalen Treibhaus-Fußabdrucks geschätzt[1]), aber das Gesundheitswesen an sich ist da noch nicht mal berücksichtigt.

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